Warum die Waale in Südtirols zweitgrößter Stadt rein gar nichts mit Meeressäugern zu tun haben? Das erfahrt ihr in diesem Beitrag. Dazu erhaltet ihr einen Schwung wertvoller Tipps für bezaubernde Wanderwege, die sich Mitte März bereits einfach begehen lassen, genussvollen Einkehrmöglichkeiten und eine Herzensempfehlung für eine erschwingliche Pension, die euch in den siebten Komforthimmel katapultieren wird.
Wandern vor Saisonstart
Dass es mich Mitte März nach Meran verschlägt, ist nicht ganz dem Zufall geschuldet. Eigentlich hatte ich geplant, mir vor Beginn der Osterferien vier Tage in einem Yoga-Retreat zu gönnen – die Art von Resorts für die Münchner Südtirol so gerne aufsuchen. Nur hatte ich es mir kurzfristig einfach anders überlegt und war der Meinung: Für Yoga, das ich im Alltag regelmäßig und wesentlich günstiger üben kann, möchte ich nicht so viel Geld hinlegen.
Somit storniere ich kurzerhand das Retreat und bleibe mit wehmütigem Blick an der bereits gebuchten Bahnverbindung hängen: Der Euro City in Richtung Bologna bringt euch in unter 4 Stunden vom Münchner Ostbahnhof nach Bozen. Von dort geht es mit einem italienischen Regionalzug in einer dreiviertel Stunde weiter nach Meran.
Obwohl ich frühzeitig gebucht und dadurch einen spottgünstigen Ticketpreis geschossen hatte, widerstrebte es mir, die Reise nun gar nicht anzutreten. Ich hatte mir extra für ein verlängertes Wochenende freigenommen und der Ruf des mediterranen Klimas war unwiderstehlich. Bestimmt wird man in Meran und Umgebung auch kleinere Wanderungen unternehmen können?
Im siebten Komforthimmel
Nach kurzer Online-Recherche auf einschlägigen Seiten buche ich die Pension Verdorfer, die ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis verspricht. Dass diese Vermutung eine bodenlose Untertreibung ist, stelle ich dann vor Ort fest.
Ich steige mit Winterjacke in München Ost in den Zug und bei strahlendem Frühlingswetter in Meran wieder aus. Der erste Handgriff besteht darin, mich nach endlosen Monaten der Kälte zum ersten Mal im Freien wieder meiner Jacke zu entledigen. Die Magnolien-, Kirsch- und Apfelbäume stehen in voller Blüte. Überall grünt es und die ersten Schmetterlinge flattern mir um die Nase.
Meine Euphorie ist groß. Der Drang, meine Beine zu bewegen, nach stundenlanger Zugfahrt noch größer. Also schultere ich meinen für 4 Tage Aufenthalt völlig überdimensionierten Deuter und klemme mir den noch volleren Tagesrucksack vor die Brust. Und beschließe kurzerhand den Weg vom Bahnhof zur Pension zu Fuß zu bestreiten. Das soll ja schließlich ein Wanderurlaub werden! Erste Reue stellt sich ein, als ich erkenne, dass die Pension im Meraner Stadtteil Maia Alta (Obermais) liegt – ein Name, der nicht von ungefähr kommt, denn das Viertel liegt am Berg.
Durchgeschwitzt aber zufrieden lege ich Mittagspause im bezaubernden Café Prantl ein. Und gönne mir das zufällig vegetarische Mittagsgericht, eine köstliche Gemüselasagne mit Salat – typisch italienisch, mit einfachen aber hochqualitativen Zutaten. Beim Lunch blicke ich auf die schneebedeckten Berge der Texelgruppe, die im spannenden Kontrast zu den italienischen Zypressenbäumen direkt vor dem Fenster des Cafés stehen.


Das Leben kehrt in mich zurück. Auch in Form des köstlichen Kaffees, dem ich nach dem Essen nicht widerstehen kann. Woran man merkt, dass man nicht mehr in Deutschland, sondern in Italien ist? An den Kaffeepreisen. Während ich in der Bahn noch 3,80 Euro für einen mittelmäßigen Filterkaffee berappen musste, zeigt mir die Karte hier einen Espresso für 1,60 Euro und Cappuccino für 2,50 Euro.
Einkehr für Leib und Seele
Als die Pension Verdorfer in meinem Sichtfeld erscheint, bin ich baff. Vor der mediterranen Villa, die inmitten endloser Weinfelder thront, stehen Bottiche mit dicken, gelben Zitronen. Der Garten mit Pool ist voll bestuhlt, jedoch noch menschenleer.
Da ich keine schulpflichtigen Kinder habe nutze ich natürlich die Möglichkeit, außerhalb der Ferien zu verreisen. Mein Aufenthalt fällt auf das Wochenende vor den Osterferien. Entsprechend wenig andere Gäste sind zugegen. Ich würde jedem, der kann, empfehlen, es mir gleich zu tun. Die Wanderwege und das Stadtzentrum waren angenehm leer und die Übernachtungspreise noch viel günstiger als während der Saison. Der einzige „Nachteil“, mit dem ihr euch abfinden müsst: manche Einkehrmöglichkeiten entlang der Wanderwege sind zu dieser Zeit noch geschlossen – aber bei weitem nicht alle, wie ihr weiter unten im Artikel lesen könnt.



Mein guter Eindruck setzt sich fort, als ich die Pension betrete. Ich werde von liebe- und stilvoller Oster-Dekoration und der herzensguten Inhaber-Familie begrüßt. Der Sohn stattet mich mit einer Meran-Card aus, mit der ich alle öffentlichen Verkehrsmittel der Region für die nächsten 4 Tage kostenlos nutzen kann. Auch die praktischen Busse, die mich mit Hyperspeed von der Pension ins Meraner Stadtzentrum und wieder zurück bringen. Zudem erhalte ich eine Wanderkarte mit persönlichen Empfehlungen zu den besten Waalwegen. Und die frohe Botschaft, dass ich umsonst ein Upgrade auf ein Doppelzimmer erhalte. Kann meine Stimmung noch besser werden?
Mein Zimmer ist wunderbar und ich weiß vor allem den kleinen Tisch mit Stühlen zu schätzen, an dem ich morgens Schreiben kann. Wenn ich die Balkontüre öffne habe ich Bergblick. Jeden Morgen begrüßt mich die aufgehende südtiroler Sonne, die sich hinter den schneebedeckten Berggipfeln hervorquält. Die Straße, die neben der Pension nach Schenna verläuft, ist viel befahren. Im Gegensatz zu manchen Google-Rezensenten stört mich der Verkehr nicht. Ebenso wenig die Tatsache, dass keine Duschprodukte gestellt werden – ich bin vorbereitet!
Zuerst frage ich mich, wie ich als Frühaufsteherin, nur die Zeit zum Frühstücksbeginn um 08:00 überbrücken soll. Doch die freudige Erwartung wird zum angenehmen morgendlichen Ritual. Zudem „zwingt“ mich die Pension dadurch zum Entschleunigen. Andernfalls wäre ich sicher wieder wie üblich um 5:30 wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett gesprungen, voller Vorfreude auf den Tag. Aber nein. Ich ziehe es hier tatsächlich durch und schlafe jede Nacht ganze zehn Stunden. Ich und mein Körper haben in den ersten drei Monaten des Jahres Vollgas gegeben – und sehnen uns ganz offenbar nach Erholung.

Und die Pension Verdorfer liefert. Das Frühstück ist gigantisch und ich nehme trotz epischer täglicher Wanderungen kein Gramm ab. Warum auch? Bei dieser Auswahl an selbstgebackenem Brot, hausgemachtem Granola, Birchermüsli, Fruchtkompott, Marmeladen, Aufstrichen und regionalem Grillgemüse, Käse- und Fischspezialitäten wäre figurbedingte Zurückhaltung ein Sakrileg.
Mir wird ein Stammplatz mit Namensschild in einer ruhigen Ecke des Gastraumes zugeteilt. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich als Alleinreisende nicht auf dem Präsentierteller und abseits lauter Gruppen sitzen darf, sodass ich meine morgendliche Ruhe habe.

Ein Papiermenü informiert ganz wie in besseren südtiroler Hotels üblich über das tägliche Wetter. Und die Optionen, mit denen ich mir Eier und Kaffee zusätzlich an den Tisch beordern kann. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass das schicke Yoga-Retreat diesen Standard in irgendeiner Form überboten hätte.
Vier charmante Waalwege
Auch wenn es den Anschein macht: Ich war nicht nur mit Essen beschäftigt. Meine Tage waren voller Bewegung und ich habe jede freie Minute damit verbracht, das laue Frühlingswetter bei ausgedehnten Wandertouren in mich aufzusaugen.
Meran ist bekannt für seine Waalwege. Die Waale sind ein künstliches Bewässerungssystem aus früheren Zeiten. Mit einem ausgedehnten Netz an Wasserkanälen hat die hiesige Bevölkerung im 13. Jahrhundert bereits die Bewässerung der Weinberge und Obstplantagen sichergestellt. Die Waalwege wurden quasi parallel dazu angelegt und ermöglichten die Instandhaltung durch die zuständigen „Waaler„.
Heute können wir in Form eines weit ausgedehnten Netzes an perfekt in Schuss gehaltenen Wanderwegen davon profitieren. Da die Waale sich an den Berghängen entlang ziehen, ermöglichen sie spektakuläre Blicke auf die im Tal gelegenen Orte. Und nachdem man den initialen Anstieg zum Weg hinter sich gebracht hat, geht es meist nur noch flach voran. Damit sind die Touren für viele Menschen mit ganz unterschiedlicher Kondition gut machbar und aufgrund ihrer Beschaffenheit auch ganzjährig begehbar.
Tappeinerweg, Gilf- und Passer-Promenaden
Einen niedrigschwelligen Einstieg in Merans Promenaden bietet der Tappeinerweg. Ein guter Ausgangspunkt ist der Theaterplatz im Meraner Zentrum. Von dort aus schlängelt sich der Weg in engen Schleifen den Küchelberg hinauf. Entlang der Promenade gedeihen exotische Pflanzen wie Agaven, Palmen und Kakteen und weniger exotische Stiefmütterchen aller Couleur. Namensgeber und großzügiger Stifter des Weges ist übrigens Dr. Franz Tappeiner, ein Virnschgauer Botaniker, Arzt und Anthropologe (den ich zuvor definitiv noch nicht kannte).
Der luftige Ausblick auf Meran ist gigantisch und es gibt auf dem kurzen Weg zahlreiche Lokale, die mit Knödeln und Co. um eure Aufmerksamkeit buhlen. Oder mit Wein und Aperol Spritz, die im Meraner Land fließen wie Wasser. Und meinen Beobachtungen nach gerne auch bereits im Zeitfenster von 09:00 bis 11:00 morgens in den Frühstückslokalen kredenzt werden.
Die Tappeiner Promenade geht nahtlos in die Gilf-Promenade über, die euch um einen imposanten Pulverturm herum über eine ausgedehnte Schlaufe entlang der rauschenden Passer wieder zurück ins Zentrum bringt. Ihr könnt nun entweder weiter in den Stadtkern vordringen und den berühmten Meraner Laubengängen einen Besuch abstatten. Mich hat das nicht so abgeholt, aber falls ihr für Souvenirkäufe anfällig seid, könnte das ein guter Ort dafür sein. Im Café Vicolo sitzt es sich schön und ihr könnt bei gutem „ALPS Coffee“ Energie für die nächste Etappe tanken.



Alternativ könnt ihr die traditionsreiche Passerpromenade entlang flanieren und das berühmte Kurhaus bestaunen. Bereits Kaiserin „Sisi“ verbrachte ihre Kuraufenthalte dort und machte Meran durch ihre Besuche berühmt. An die legändere Kaiserin erinnern heute der Elisabeth-Park samt unverkennbarer Büste und das aufwändig hergerichtete Schloss Trauttmansdorff mit seinen pompösen Gärten (das sich übrigens nicht weit von der Pension Verdorfer befindet, zur Zeit meines Besuchs aber leider noch Winterschlaf hielt).
Auf den vielen Bänken entlang der Passer, die sich einmal quer durch Meran schlängelt, lässt es sich schön mit der Sonne im Gesicht verweilen. Je weiter ihr euch jedoch aus dem Stadtzentrum hinaus bewegt, desto mehr zwielichte Gestalten hängen mit Bierflaschen am Flussufer herum. Es ist so viel los, dass ich mich zu keiner Zeit unwohl gefühlt habe, aber man muss es ja nicht herausfordern. Viel zu sehen gibt es da draußen ohnehin nicht mehr.
Marlinger und Algunder Waalweg
Eine Empfehlung vorab: Ich bin einer Tour gefolgt, die eigentlich einen Start am Bahnhof in Meran Untermais vorsieht, hatte mich jedoch dazu entschlossen, von meiner Pension aus ins Meraner Zentrum und von dort nach Marling zu laufen. Kein sehr schöner Weg, der mich durch ein unangenehmes Industrieviertel und unter einer gruseligen Autobahnbrücke hindurch führte. Dadurch war nichts gewonnen, nur Energie verschwendet. Der empfohlene Startpunkt am Bahnhof macht total Sinn. Seid schlauer als ich und haltet euch daran.
Einmal im idyllischen Ort Marling angekommen, ändert sich die Szenerie schlagartig zum Besseren. Der Aufstieg zum Waalweg ist kurz, aber knackig. Einmal auf Kurs, läuft der Weg jedoch wie alle anderen nahezu eben dahin und bietet grandiose Aussichten. Bei „Kaiserwetter“ lasse ich die grünen Weinberge an mir vorbeiziehen. Es hat heute 21°C und ich bekomme zum ersten Mal in diesem Jahr etwas Farbe im Gesicht. Das warme Klima tut der Seele gut.
Das Wasser des Waals plätschert beruhigend dahin. Es sind wenig Leute unterwegs, aber es kommt immer wieder zu Begegnungen. Die beeindruckenden weiß-grau melierten Gipfel der Berge heben sich scharf vom strahlend blauen Himmel ab, den kaum eine Wolke durchzieht. Als ich denke, es kann nicht harmonischer werden, komme ich an einer Gruppe Schafe vorbei, die sich einen Logenplatz mit Bergblick an einem der Hänge gesichert haben. Sehr junge Babies lugen neugierig unter den Bäuchen ihrer Mütter hervor, die skeptisch jeden Wanderer im Blick behalten.
Ein weiterer glücklicher Zufall ist, dass das in einem Pinterest-Artikel empfohlene Lokal „Leiter am Waal“ bereits seine Pforten geöffnet hat. Dieses befindet sich ein kurzes Stück nachdem der Marlinger in den Algunder Waalweg übergeht. Perfekt für eine Pause.
Wie viele Restaurants und Hotels in Südtirol ist es hier eher „fancy“. Draußen auf der Sonnenterasse wird einem das lange nicht so bewusst, wie hinter der verglasten Fassade, die in den Innenraum führt. Mehrere „Falstaff“-Auszeichnungen und Bilder prominenter Besucher zieren die Wände. Ich nutze nur schnell die Toilette, fülle meine Trinkflasche am Waschbecken auf und verkrümele mich mit meinen verschwitzten Wanderklamotten fix wieder nach draußen.

Der Service ist extrem freundlich und effizient – auch darin die Rechnung durch kaum ausschlagbare zusätzliche Angebote leckerer Desserts und Getränke nach oben zu treiben. Ich gönne mir ein Vorspeisen-Trio als Hauptgericht: Südtiroler „Schlutzkrapfen“ (eine Art Ravioli mit Kräuterfüllung), eine Käse-Spinat-Nocke und Rote-Beete-Knödel. Rote Beete wird hier übrigens „Ronen“ genannt. Ein genussvoller aber nicht gerade leichter Lunch. Bevor ich gänzlich versacke, treibe ich mich an, weiterzugehen.
Die Runde ist recht ausgedehnt. Der Algunder Weg geht direkt in die Tappeiner Promenade über, die ich diesmal quasi von hinten aufrolle. Ich wandere an diesem Tag über 20 Kilometer. Man könnte jedoch an vielen Stellen in einen der Orte hinabsteigen und von dort einen Bus zurück nach Meran nehmen. Oder das Ganze ausweiten und einen Abstecher ins Dorf Tirol machen. Das verzweigte Wegenetz bietet zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten.
Maiser Waalweg
Für den heutigen Tag ist gegen 14:00 Regen angesagt. Ich ziehe also direkt nach dem Frühstück los und erkunde den vom jungen Mann an der Hotelrezeption empfohlenen Maiser Waalweg. Einer seiner Favoriten, weil er so urtümlich ist. Der Weg geht in der Plantastraße los, die direkt parallel unterhalb der Pension Verdorfer verläuft. Und endet nach 9 Kilometern in Saltaus. Hin- und Zurück dauert die Tour circa 4 Stunden und erlaubt es mir, bis Einbruch des Regens wieder zurück in der Pension zu sein. Perfekt!
Der Weg hält was er verspricht: Er ist urtümlich, unberührt und weit weniger frequentiert. Ich bin anfangs etwas irritiert, denn er führt wortwörtlich durch Bauernhöfe. Erst denke ich, es ist verboten, diese zu betreten und vermute, ich bin in einer Sackgasse gelandet. Dann dämmert es mir langsam, das die „Warnung vor dem Hunde“ und „Betreten auf eigene Gefahr“ Schilder nur die Haftung der Anwohner ausschließen sollen, falls jemandem auf deren privaten Grund etwas passiert.
Die Wegweiser führen expliziert durch die Gehöfte. Ich werde von freundlichen Menschen gegrüßt. Hier und da muss ich mich mit einem Traktor arrangieren, der den Wanderweg verstellt. Es ist herrlich und der Weg steigt zu meinem sofortigen Favoriten unter den Waalen auf.
Neben vielen christlichen Wegmarkern und den durchs trockene Gras raschelnden Eidechsen, die alle Waalwege rund um Meran gemein haben, zeichnet sich dieser besonders durch die vielen kleinen Stände und Boxen aus, in denen Erzeugnisse der umliegenden Bauernhöfe für ein paar Groschen angeboten werden: Honig, Marmeladen, Sirup, Apfelsaft. Bei einer Kiste mit frischen Südtiroler Äpfeln kann ich nicht nein sagen und statte mich mit Snacks für den Weg aus.
Die Blog-Empfehlung, im „Apfelhotel Torgglerhof“ Pause zu machen, begeistert mich so semi. Mir ist das Hotel zu luxuriös und glattgebügelt und ich fühle mich trotz freundlichem Empfang deplatziert. Der Cappuccino ist teuer und qualitativ eher naja. Ich knipse ein Foto vom Interieur und ziehe wieder von dannen.
Gut zehn Minuten nachdem ich wieder in meine Pension komme, beginnt es zu stürmen. Was für ein perfektes Timing. Ich mache es mir in der kuschelig beheizten Gaststube gemütlich und gönne mir zu Mittag ein herrliches Panini mit Grillgemüse und Räucherkäse. Hinterher ein schönes Stück Mürbteig-Kuchen mit Zwetschgenmarmelade. Dazu ein Haferl Kaffee und ein nettes Gespräch mit der Inhaberin der Pension. Es stürmt, donnert und blitzt. So schnell kriegt mich heute nichts mehr nach draußen.


Mein Plan für den Abend war eigentlich das Stadt- oder Frauenmuseum zu besuchen und dann bei einem gut bewerteten Inder zu essen. Aber ich versacke im Hotel. Die Museen lasse ich deshalb aus, aber den Inder nehme ich mit. Wie durch ein Wunder kommt die Sonne nach ein paar Stunden wieder heraus. Als wäre nichts gewesen! Ich freue mich darüber so sehr, dass ich den Weg ins Zentrum zu Fuß bestreite. Die Luft ist klar vom Regen und die Berge tauchen das erste Mal am heutigen Tag aus den Wolken auf.
Das indische Restaurant „Alpin Curry“ am Theaterplatz kann ich voll und ganz empfehlen. Ich hatte ein im Tandoor-Ofen zubereitetes Auberginen-Curry, das leicht säuerlich schmeckte und nicht zu schwer war. Nach all dem Brot, dem Kuchen und den Teigwaren war etwas Reis eine sehr willkommene Abwechslung. Und wieder einmal haben sich Inder als sichere Bank für reisende Vegetarier bestätigt.
Da ich meine Beine von den Märschen der letzten Tage nun doch langsam spüre, gönne ich mir eine Fahrt mit einem der von mir liebevoll getauften „Chaos-Busse“ zurück nach Obermais. Die Fahrweise ist so abenteuerlich, dass man sehr schnell auf den roten Knopf drücken muss, um seine Haltstelle nicht vorbei rauschen zu lassen. Und aufstehen sollte man wirklich erst, wenn der Bus komplett angehalten hat.
Schenner Waalweg
Der letzte Waalweg, den ich mir am Morgen meiner Abreise vornehme, geht im benachbarten Ort Schenna los. Von der Pension Verdorfer ist Schenna leicht zu Fuß zu erreichen. Wobei es auch hier alternativ Busse gäbe.





In Schenna habe ich riesiges Glück und komme mitten in die Palmsonntagsprozession hinein. Die Kirchenglocken läuten Sturm, der ganze Ort versammelt sich in Tracht und rüstet sich mit Palmzweigen aus. Es ist ein rührendes Bild, das mir vor Augen führt, das man manchmal nicht weit reisen muss, um kulturell eindrückliche Momente zu erleben.
Die Tour, die ich mir herausgesucht habe, führt durch das Zentrum vom Schenna, hin zur Burg und dann durch ein Wohngebiet steil bergauf zum Waalweg. Auf diesem begegne ich vielen Familien und Wandergruppen, es scheint eine beliebte Route für den Sonntagsausflug zu sein. Am besten gefällt mir die Stelle, an der sich ein beeindruckender Ausblick auf die gemeinde St. Georgen mit ihrem hübschen Kirchturm öffnet. Der Rest des Weges ist fein, aber relativ unspektakulär.
Bahn-Terror in Bozen
Ich nutze meine kostenlose Meran-Card, um einen früheren Regionalzug nach Bozen zu nehmen, um vor meinem Anschluss nach München noch eine Runde durch die Stadt zu spazieren. Ich wundere mich ein bisschen, dass wir eine halbe Stunde im Zug sitzen und sich nichts bewegt, bevor wir mit Verspätung abfahren, denke mir aber nichts groß dabei. Ihr werdet gleich gedanklich mit mir zu diesem Moment zurückkehren.
Wärmste Empfehlung: Am Bahnhof in Bozen könnt ihr euer Gepäck im „Basecamp Dolomites“ direkt an Gleis 1 für 5 Stunden gegen ein Entgelt von 6 Euro aufbewahren lassen. Jede angebrochene Stunde darüber kostet extra und ihr müsst vor Geschäftsschluss um 18.00 wieder da sein, wenn ihr euer Hab und Gut noch am selben Tag wieder haben wollt. Alles wirkte vertrauensvoll, professionell und funktionierte für mich völlig reibungslos.
Und schenkte mir die Möglichkeit, ohne meinen Monster-Rucksack noch ein paar entspannte Stunden durch die Stadt zu flanieren. Ich habe mich einfach nur treiben lassen und keine Sehenswürdigkeiten besucht. Die wohl bekannteste ist die Mumie des „Ötzi“ (Ötztal-Mannes), die man hier im Südtiroler Archäologiemuseum besichtigen kann. Sightseeing mit Beigeschmack, aber wer Interesse hat…
Als ich seelig, mit italienischen Spezialitäten für die Zugfahrt bestückt, zurück am Bahnhof eintreffe, werde ich mit einer Ohrfeige auf den Boden der Tatsachen zurück geholt: Das italienische Zugpersonal ist in den Streik getreten. Alle Regionalzüge sind gecancelled und mein Euro City ist einer von 10% der Züge, die heute überhaupt noch fahren. Mit 70 Minuten Verspätung. Mamma mia! Wenn es die Deutsche Bahn nicht schafft, dir den Urlaub zur ruinieren, dann sorgen die italienischen Kollegen eben dafür.
Die meisten Leute nehmen es stoisch gelassen. Trinken Kaffee in der einzigen Bar, die am Bahnhof noch offen hat und das Geschäft ihres Lebens macht. Oder machen sich mit gequältem Lächeln daran, eine Übernachtungsmöglichkeit in Bozen zu organisieren. Ich bin todmüde (warum genau musste ich heute früh noch wandern?) und die Kälte der immer noch frischen Frühlingsnacht kriecht mir in die Glieder. Als der Zug endlich da ist, schlafe ich die vier Stunden komplett durch. Ein netter Mann überlässt mir seinen gemütlichen Sitzplatz am Fenster, sodass ich dösen kann.
Immerhin fährt die S6 in München – keine Selbstverständlichkeit, wie jeder Münchner weiß. Und trägt mich mit den betrunkenen Massen, die vom Nockherberg zurückströmen in meinen trauten Wohnort. Was soll man sagen? Hätte entspannter enden können. Aber das ist das Risiko, das man eingeht, wenn man einen Fuß vor die Haustür setzt und sich aufmacht, die große weite Welt zu erkunden. Für die unvergesslichen Eindrücke dieses Kurztrips nehme ich ein paar Stunden Warterei an Südtiroler Bahnhöfen gerne in Kauf. Entspannung hatte ich ja genug vorgetankt!
Schreibe den ersten Kommentar