Nach der außergewöhnlichen Naturerfahrung in Schwedisch Lappland ist es für mich Zeit, noch etwas skandinavisches City-Feeling in Helsinki zu erleben. Der Charme Helsinkis besteht für mich nicht in einer Liste klassischer Sehenswürdigkeiten oder einer beeindruckenden Skyline. Sondern vielmehr in dem Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich wirklich auf Finnlands unprätentiöse Hauptstadt einlässt.
Ich habe der 675.000-Einwohner Stadt vier volle Tage gewidmet. Das ist vermutlich mehr, als die meisten Menschen für Helsinki aus ihrem Reiseprogramm abzwacken. Doch genau das gab mir die Möglichkeit, mich wirklich treiben zu lassen. Nach dem Abklappern der „Must-visits“, auch Dinge zu tun, denen ich zu Hause gerne nachgehe. Und zu sehen, wie diese hier gleich oder anders laufen.
Einige meiner persönlichen Highlights habe ich tatsächlich erst an Tag vier erlebt und sie fanden sich in keinem der Artikel wieder, mit denen ich mich auf diesen City-Trip vorbereitet habe.
Good to know: Bevor es losgeht, ein kurzes Wort zu meiner Unterkunft. Ich habe das Hotel Haaga Central Park gewählt, das 15 Gehminuten von der Zugstation Huopalahti / Hoplax entfernt liegt. Mit 118 Euro die Nacht grundsätzlich kein Schnäppchen, aber im Vergleich zum übrigen Angebot war es mit der günstigste Hotelpreis, den ich finden konnte.
Im Übernachtungspreis ist ein sehr leckeres Frühstück inbegriffen. Dort gibt es neben dem Üblichen auch finnisches Roggenbrot Ruisleipä und karelische Piroggen (mit Reis, Kartoffeln oder Käse gefüllte Pasteten) zu verkosten. Die Zimmer sind sauber und von gutem Standard. Einzig das Bad fand ich etwas zu klein. Ich bin da echt nicht anspruchsvoll, aber umdrehen sollte man sich schon können.
Es fährt ein Bus direkt vor der Tür ab, mit dem man in 20 Minuten ins Zentrum gelangt. Alternativ kann man zur Station Huopalahti zurück laufen und dort in 9 Minuten mit dem Zug zum Hauptbahnhof fahren. Solltet ihr Wert auf eine zentrale Lage legen, würde ich euch allerdings ehrlich empfehlen, euch nach einer Alternative umzusehen.
Meine Sightseeing-Highlights
Die klassischen Helsinki Sightseeing-Spots kann man in jedem Reiseführer und einer Vielzahl von Blog-Artikeln nachlesen. In diesem Beitrag werde ich sie deshalb nicht alle auflisten, sondern mich auf meine ganz persönlichen Helsinki-Highlights, Foodspots und kulturellen Eindrücke konzentrieren.
Oodi-Bibliothek: Bildung für alle
Helsinkis öffentliche Bibliothek setzt Maßstäbe. Gäbe es so einen Ort in meiner Stadt, wäre er ganz sicher mein zweites Wohnzimmer. Oodi ist für mich ein Musterbeispiel, das zeigt, wie Bildung für alle zugänglich gemacht werden kann. 2018 wurde die Oodi-Zentralbibliothek anlässlich des 100. Jubiläums der finnischen Unabhängigkeit eröffnet und erfreut sich bis heute mit 2.5 Millionen Besuchern jährlich großer Beliebtheit.
Die Einwohner Helsinkis können hier natürlich aus dem Fundus von insgesamt 70.000 Büchern in sage und schreibe 23 Sprachen schöpfen. Doch Oodi (finnisches Wort für „Ode“ – lyrisches Gedicht) bietet noch so viel mehr als nur einen Bücherverleih.
Im Erdgeschoss liegt der Fokus auf Begegnung. Es gibt ein Restaurant, ein Kino, die Möglichkeit Schach zu spielen oder sich mit aktuellen Informationen rund um Europa einzudecken. Vor allem Jugendliche, die ja oft keinen richtigen Platz haben und wie bei mir im Ort dazu gezwungen sind, an Bahnhöfen oder auf Spielplätzen herumzulungern, bekommen hier die Möglichkeit, gemeinsam Hausaufgaben zu machen oder einfach mit ihren Freund:innen abzuhängen.
Im zweiten Stock werden Talente gefördert: Solche die bereits bestehen und solche, die noch entdeckt werden möchten. Hier stehen 3D- und Laserdrucker, Nähmaschinen, AR/VR-Equipment und sogar Tonstudios zum kreativen Gestalten frei zur Verfügung. Wann bekommt man schon einmal die Gelegenheit, sich an solch teurem professionellen Equipment auszuprobieren?
Im dritten Stock gibt es viele gemütliche Sitzgelegenheiten zum Lesen, einen separaten Bereich für Kinder, ein Café und eine Aussichtsterasse mit Blick auf das gegenüberliegende finnische Parlament. Die Aussage ist klar: Die Bevölkerung befindet sich hier im wahrsten Sinne des Wortes „auf Augenhöhe“ mit ihren Poliker:innen.
Good to know: Die Finn:innen lieben Büchereien und leihen sich mehr Bücher aus, als jede andere Nation der Welt. Im ganzen Land gibt es um die 800 Büchereien und 1.9 Millionen Finn:innen besitzen einen Büchereiausweis. Allein in Helsinki gibt es 40 Büchereien! Definitiv ein Ansporn für mich, nach meiner Rückkehr das Angebot in München einmal unter die Lupe zu nehmen.
Chapel of Silence: Die Magie der Stille
Die Kamppi-Kapelle hat mich völlig überrascht. Ich hatte an diesen Ort keine Erwartungen. Die Kapelle wirkt mit ihrem spannenden äußeren Erscheinungsbild etwas entrückt auf ihrem geschäftigen Platz in der Innenstadt. Die Konstruktion aus Fichtenholz war ursprünglich ein Design-Projekt und wurde als Teil der Initiative „World Design Capital Helsinki 2012“ von einem finnischen Archtiekten-Team ins Leben gerufen.
Mich hat der Ort erstaunlich stark berührt. Sobald die Tür sich hinter mir schloss, fand ich mich ganz alleine in absoluter Stille wieder. Ich hatte das große Glück, eine Zeit lang allein im Raum zu sein. Die Weltstadt Helsinki wird dort komplett ausgesperrt und es entsteht eine großartige Möglichkeit zur Einkehr. Nachdem der äußere Trubel weichen muss, legt sich unweigerlich auch der Innere. Wahre Wunder geschehen in der Abwesenheit von Geräuschen. Die Kamppi-Kapelle gibt einen wundervollen Denkanstoß zu möglichen Alternativen für den stressigen städtischen Lebensstil.
Suomenlinna: Schwedens oder Finnlands Festung?
Die Finnen nennen sie Suomenlinna (Finnlands Festung) und die Schweden Sveaborg (Schwedens Festung). Die Namensgebung deutet bereits auf die bewegte Geschichte dieses UNESCO Weltkulturerbes hin.
Erbaut wurde Suomenlinna 1748 vom schwedischen Architekten und Kommandeur Augustin Ehrenvärd, dessen Haus auch auf der Insel besichtigt werden kann. Der Eintritt ist inklusive, wenn ihr an einer der geführten Touren teilnehmt und ich kann euch beides sehr ans Herz legen.
Die Walking Tour war wirklich gut gemacht. Man kommt an Orte, für die es einen besonderen Zugang braucht und nimmt doch noch einmal viel mehr mit, als wenn man sich alleine durch das Info-Material liest. Besonders beeindruckend fand ich die Trockendocks, in denen früher die Schiffe gebaut und auch heute noch jährlich gewartet und repariert werden.
Auch sehr cool fand ich die Erläuterungen zum angeschlossenen Pumpwerk, dessen Wasserstand mit für die damalige Zeit sehr ausgefeilter Technologie reguliert wurde: Über zwei große Zahnräder, die von jeweils sechs im Kreis laufenden Pferden bewegt wurden.
Hier kommt ein wirklich kurzer historischer Abriss: Die Meeres-Festung im Bastions-Stil diente im Laufe ihrer Geschichte sowohl Schweden, als auch Russland und zuletzt dann auch Finnland als Verteidigungsanlage.
Erbaut haben sie die Schweden. Durch taktisches Geschick gelang es Russland 1809 dann, dass Schweden Suomenlinna freiwillig abtrat: Die Russen griffen nicht, wie vermutet, über den Seeweg, sondern schlichtweg über das finnische Festland an und liesen die auf Suomenlinna stationierten schwedischen Truppen aushungern. Finnland wurde daraufhin eine autonome Region Russlands und Suomenlinna fiel 110 Jahre in russische Hand.
1918 annektierte Finnland die Festungsinsel im Zuge des Unabhängigkeitskrieges und nutzte sie im 2. Weltkrieg als Marinebasis, bevor sich ab 1973 der Fokus auf Suomenlinna als Kulturgut wandelte. 1991 wurde Suomenlinna dann in den Status des UNESCO Weltkulturerbes erhoben.
Es macht einfach Spaß bei sonnigem Wetter über die Inseln zu spazieren, begleitet von Möwen, Schwalben und dem mächtigen Rauschen des Meeres. Der Hauptweg ist die „blaue Route“, die man sowohl mit einer Online-Karte, als auch anhand der zahlreich platzierten Wegweiser leicht verfolgen kann.
Good to know: Neben all der Historie ist Suomenlinna für knapp 800 Finn:innen ein ganz normaler Wohnort. Die Wohngebiete sind gekennzeichnet und hier gilt es Rücksicht zu nehmen.
Ich würde euch zudem dringend empfehlen, etwas zu Essen mitzunehmen, denn die Preise für Getränke und Mahlzeiten sind auf der Insel wirklich horrend. Und wenn ich von der Qualität des Kaffees auf den Rest schließen darf, dann ist hier kein guter Gegenwert für euer Geld zu erwarten. Schade! Schlechten Kaffee in Helsinki zu finden, kann man fast schon als Leistung bezeichnen!
Good to know: Es gibt einen Wasserbus für Touris und die ganz normalen von der HSL (Helsinkis Transportgesellschaft) betriebenen öffentlichen Fähren. Wenn ihr sowieso eine Tageskarte für die Öffis habt, fahrt ihr mit letzteren umsonst, andernfalls kostet die einfache Fahrt unter 3 Euro. Auch die Menschen, die auf den Inseln wohnen, pendeln mit diesen Fähren auf das Festland, deshalb sind sie erschwinglicher. Die Wasserbusse fahren nur im Sommer und sind extra für die Touristen abgestellt.
Huuvilakatu: Helsinkis Instagram-Spot
Eine sehr fotogene Straße, in der sich eine wundervolle Villa im Art Nouveau-Stil an die nächste schmiegt. Große Umwege würde ich dafür nicht in Kauf nehmen, aber wenn ihr in der Umgebung seid, lohnt sich ein Abstecher allemal!
Ein Spaziergang, drei Seen
Ein wahrer Genuss ist es, bei schönem Wetter um die drei Seen Tölöviken, Djurgårdsviken und Kajsaniemiviken zu spazieren. Confession time: Ich habe eiskalt das Gespräch eines deutschen Touristenführers in der Oodi-Bibliothek belauscht, der seiner Gruppe den Tipp gab, nach der Führung doch noch eine Runde um den Tölö-See zu drehen.
Ich ließ mich also treiben und fand dabei heraus, dass die Spazierwege rund um die drei Seen, von denen der letzte irgendwann ins Meer mündet, fließend ineinander übergehen. Mit Pausen war ich circa zwei Stunden lang unterwegs. Eine Runde um den Tölö-See allein sollte in einer guten Stunde zu bewältigen sein.
Besonders schön fand ich, dass es sich hier um ein Naherholungsgebiet der Locals handelt. Es gibt einen Stadtstrand, an dem Reggaeton gespielt und Eiscreme verkauft wird. In beeindruckenden, alten Villen sind süße kleine Cafés angesiedelt. Man trifft Horden von Gänsen, muskulöse Läufer:innen, Spaziergänger:innen mit Hunden, Sonnenanbeter:innen an den Kais und vereinzelt auch streunende Tourist:innen wie mich.
Ein idyllisches, erholsames und sehr authentisches Helsinki-Erlebnis, das ich unbedingt weiter empfehlen möchte!
Die besten Foodspots
Die traditionelle finnische Küche ist sehr fleisch- und fischlastig. Sollte euch beides zusagen, habt ihr die volle Auswahl. Aber keine Sorge: Auch wenn ihr euch vegetarisch oder vegan ernährt, werdet ihr in Helsinki fündig, ohne groß zu suchen. Die moderne Hauptstadt hat die komplette Bandbreite internationaler Küche im Angebot und ist auf jegliche Ernährungsgewohnheiten bestens eingestellt.
Like a tourist: Old Market Hall
Eine der Top-Empfehlungen für einen Helsinki-Besuch, die euch in jedem Guide begegnen wird: Das Erlebnis war weniger touristisch als befürchtet und die Alte Markthalle ist eine gute erste Anlaufstelle, um sich einen Überblick über finnische Spezialitäten zu verschaffen.
Macht euch hier allerdings auf Touristenmassen gefasst, die von den furchtbaren (sorry für die Wertung!) Kreuzfahrtschiffen für kurze Zeit ins Hafenviertel gespuckt werden. Die Menschen, die an den Marktständen arbeiten, haben angesichts dieser Umstände eine für mich bewundernswerte Freundlichkeit an den Tag gelegt.
Ich kann das Roggenbrot mit Lachs oder Hummerkrabben-Salat empfehlen und auch der Kaffee ist hier, wie fast überall sonst in Helsinki, sehr lecker.
Info: Mit einem jährlichen pro-Kopf-Verbrauch von 12 kg dürfen sich die Finn:innen stolz als die größten Kaffee-Konsument:innen der Welt bezeichnen.
Like a local: Hakaniemen Kaupphalli
Echt Profis besuchen die Hakaniemi Markthalle und die ihr vorgelagerten Stände. Mir ist nicht begreiflich, warum sich alle Reiseführer und Blogs ausschließlich auf die Alte Markthalle stützen. Hakaniemi ist der Markt, auf dem auch die Locals einkaufen gehen. Das schlägt sich in den für Delikatessen sehr fairen Preisen und dem wirklich authentischen Lebensmittel-Angebot nieder.
Ich habe mir für 11 Euro meinen eigenen Bohnenkaffee einer lokalen Rösterei zusammenstellen lassen. Und mich zusätzlich noch mit Lebensmitteln für den gesamten Tag eingedeckt: Ein prall gefüllter Lachs-Wrap, ein halbes Kilo süßester Erdbeeren und zwei unterschiedlich gefüllte karelische Piroggen haben mich nur 16 Euro ärmer gemacht. Die Stände vor der Markthalle borden über von Pfifferlingen, die an Ort und Stelle noch geputzt werden. Und natürlich gibt es Beeren aller Form und Couleur: Erdbeeren, Blaubeeren, Brombeeren, Himbeeren, Preiselbeeren, Moltebeeren – you name it.
Die Kommunikation funktioniert im Vergleich zu anderen Ländern hier einwandfrei, da die Finn:innen so gut Englisch sprechen. Dadurch kann man sich wirklich zu den Produkten austauschen und erhält eine tolle Beratung.
Vom Hauptbahnhof aus seid ihr in circa 20 Minuten zu Fuß im Stadtteil Kallio. Es gibt dort auch einen gut sortierten S-market (lokale Supermarkt-Kette) und ihr seid nah dran an einer großen öffentlichen Sauna sowie dem Hafenviertel mit den Hauptsehenswürdigkeiten.
Good to know: Zu den typischen finnischen Spezialitäten zählen: Ruisleipä (finnisches Roggenbrot), Karelische Piroggen, Lachs- und Erbsensuppe, allerlei Seafood, Korvapuusti (Zimtschnecken), genial guter Kaffee (zum Beispiel in der Kaffa Roastery, der Cafetoria oder auch bei Roberts Coffee, dem finnischen Pendant zu Starbucks), Lakritse und: Porridge (kaurapuuro aus Haferflocken und mannapuuro aus feinem Grieß).
Für Asia-Fans
Ich war total erstaunt, wie viele teils sehr spezielle asiatische Restaurants sich in den Stadtteilen Kamppi und Punavuori finden. Besonders empfehlen möchte ich die japanischen Onigiri von Musubi, die göttlichen handgezgenen chinesischen Nudeln von Jumbowl, das authentische Thai Food von Ho Khao und das koreanische Café Daebak mit dem viralem Wackelpudding-Desert in Katzenform. Ja, es gibt sinnvollere Möglichkeiten 9,90 Euro auszugeben – aber wenige, die mehr kindliche Freude bereiten!
Die beste Massage für strapazierte Touri-Körper
Wer seinen Körper mit einer wirklich guten Thai-Massage verwöhnen möchte, dem sei das Praan Spa wärmstens empfohlen: Ein im Vorübergehen kleiner, unscheinbarer Laden, der aber Online-Reservierungen annimmt und mit ausländischen Kund:innen vertraut ist. Die Kommunikation erfolgt problemlos auf Englisch.
Meine Masseurin war wahnsinnig einfühlsam, professionell und eine absolute Expertin. Ich hatte schon viele Thai-Massagen und das war bisher tatsächlich die beste. Verknotungen von wochenlanger Belastung durch Karate und die Wanderung auf dem Kungsleden waren am nächsten Tag einfach verschwunden. Zuvor kommunizierte Verletzungen wurde sehr verantwortungsvoll berücksichtigt.
Good to know: Bei Buchungen aus dem Ausland müsst ihr die Zeitverschiebung beachten! Die wird im System scheinbar nicht richtig angezeigt, was dazu führte, dass ich eine Stunde zu früh vor Ort war, weil ich meinen Termin noch in Schweden vereinbart hatte. Kein Probem, wir sind ja im Urlaub. Aber wenn es sich vermeiden lässt…
Kulturelle Eindrücke
Mir ist wichtig vorab zu betonen, dass es sich im Folgenden um meine ganz persönliche Wahrnehmung handelt. Natürlich habe ich in der kurzen Zeit meines Aufenthalts nur eine Kostprobe von der finnischen Kultur bekommen. Und die Begegnungen mit einzelnen Menschen stehen niemals für ein ganzes Land. Dennoch habe ich einige spannende Beobachtungen gemacht, die ich gerne mit euch teilen möchte.
Nation kleiner Worte
Smalltalk scheint in Finnland nicht üblich zu sein. Worte werden sparsam und bedacht eingesetzt. In öffentlichen Verkehrsmittel herrscht vorwiegend Stille und in vielen Restaurants hat sich mittlerweile die Bestellung über Bildschirme durchgesetzt. Das Personal kümmert sich um die Zubereitung der Speisen statt um die Kommunikation mit den Gästen.
Diese Reserviertheit darf aber nicht als Unfreundlichkeit missinterpretiert werden. Sie liegt vielmehr daran, dass die Finn:innen ihren Worten Bedeutung zumessen und deshalb nicht verschwenderisch mit ihnen umgehen. Wenn man aber dann einmal in Kontakt ist, habe ich großartigen Service und eine enorme Hilfsbereitschaft erlebt – sei es beim Finden von Wegen oder dem Heben meines schweren Rucksacks in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Gebeuteltes Land oder Glücksweltmeister?
Finnland wurde in der Vergangenheit abwechselnd von Schweden und Russland kolonialisiert und musste lange Zeit als Pufferzone zwischen den verfeindeten Nationen herhalten. In mir löst dieser Hintergrund großes Mitgefühl, vor allem aber auch Bewunderung aus. Das Land hat unter diesen Umständen eine wahnsinnige Entwicklung hingelegt. Und ich bewundere die Resilienz der Menschen.
Bereits das sechste Jahr in Folge führte Finnland in 2023 den World Happiness Report der Vereinten Nationen an. Ich bin etwas zwiegespalten, was dieses Ranking wirklich über das Glück der Menschen in einem Land aussagt. Vor allem mit Blick auf den in Finnland relativ hohen Alkoholkonsum und die Suizidrate. Zweifelsohne punktet Finnland aber, so wie andere nordische Länder, mit hohen Standards bei der Lebensqualität, dem Gesundheits– und Sozialsystem, großer persönlicher Freiheit und einer korruptionsfreien Politik.
Spannend finde ich auch die Interpretation eines finnischen Touristenführers, den ich hierzu befragt habe. Er ist der Meinung, dass seine Landsleute besonders gut darin sind, sich mit dem, was sie haben, zufrieden zu geben. Im Gegensatz zum amerikanischen „you can be anything“, seien sich die Finn:innen der Grenzen dessen, was sie im Leben erreichen können, sehr wohl bewusst und arrangierten sich eben damit.
Inwiefern die aktuelle sicherheitspolitische Lage durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine Einfluss auf das Glück der Finn:innen haben wird, bleibt abzuwarten. Das Land sah sich 2023 dadurch veranlasst, der NATO beizutreten und bereits in den Vorjahren stark in die eigene Verteidigung zu investieren.
Finnisch oder Schwedisch? You choose!
Auf etwas profanerem Niveau fällt Helsinki-Besuchern direkt bei Ankunft auf, dass hier Zweisprachigkeit herrscht. Kommunikation im öffentlichen Raum findet historisch bedingt sowohl auf Finnisch, als auch auf Schwedisch statt. Hinzu kommen dann noch englische Erläuterungen an den Touristen-Orten sowie vereinzelt russische Hinweistafeln. Ein kunterbunter Sprachen-Strauß, der bisweilen auch verwirrend sein kann.
Persönliche Hygiene
Außerdem sind die Toiletten in Finnland mit Bidetduschen ausgestattet. Das habe ich als kurios empfunden, da ich diese Art der Reinigung nur aus asiatischen und arabischen Ländern kenne.
Sicherlich ist die Sauna-Kultur eines der ersten Dinge, die einem in den Kopf kommen, wenn man an Finnland denkt. An dieser Stelle muss ich vorerst enttäuschen: Ich hatte meine ganz eigene Einführung in die nordische Sauna-Kultur während meiner Hüttenübernachtungen auf dem Kungsleden in Schwedisch-Lappland. In den geplanten Artikeln werde ich diese Erfahrung mit euch teilen. Stay tuned!
Zieh durch die Karte!
Zuletzt, muss ich einfach die teuren Preise erwähnen: It’s true what they say, Finnland ist teuer. Sogar teurer als Schweden. In Schweden habe ich einen Reisetag in der Zivilisation mit circa 70 Euro (ohne Übernachtungskosten!) budgetiert. In Finnland mit 90 Euro. Ich bin meistens drunter geblieben, aber unrealistisch sind diese Werte nicht. Hier einige Kostproben:
Die Tageskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel kostete in Helsinki zur Zeit meines Aufenthalts 9 Euro. Das ist sportlich, auch wenn es noch nicht an das Münchner Tagesticket heran kommt… Dafür funktionieren die Züge in Helsinki dann aber wenigstens auch!
8 Euro müsst ihr für den Besuch des Doms von Helsinki hinlegen, dessen Interieur leider vollkommen leer und schlicht ist. Die sonderbare „Kunstausstellung“ und ein trauriges Café in der Krypta haben es für mich leider nicht herausgerissen. Immerhin sind im Kombi-Ticket für 10 Euro dann auch die St. John’s und Suomenlinna Kirchen enthalten, deren Innenleben jedoch ebenfalls unspektakulär ist.
Für die Design– und Amos Rex Museen müsste ihr ebenfalls je 20 Euro Eintritt berappen. Im Design-Museum war die Ausstellung klein und didaktisch extrem schlecht aufbereitet. Kein Vergleich zu dem in Kopenhagen. Da habe ich mich echt über den Tisch gezogen gefühlt. Mit der modernen Kunst im Amos Rex Museum muss man sich anfreunden können, das ist sicherlich Geschmackssache.
Ein Vorbild in Inklusion
Um auf einer positiven Note zu enden: Den Support für LGBTQIA+ Community habe ich in Helsinki im Vergleich zu anderen Städten als noch viel präsenter wahrgenommen. This is the way!
Noch mehr Liebe auf den zweiten Blick
Helsinki ist eine skandinavische Hauptstadt, die auf den zweiten Blick noch einmal ganz anders verzaubert als auf den ersten. Ich hoffe, dieser Beitrag konnte euch ein paar spannende Facetten näher bringen und die Lust in euch wachkitzeln, ihr vielleicht selbst eines Tages einen Besuch abzustatten!
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