Wildes Hokkaidō

Wenn ich an Hokkaidō denke, denke ich an ungezähmte Natur. An das frischeste und geschmackvollste Gemüse, das in 33 Lebensjahren meinen Gaumen berührt hat. Und an die Notwendigkeit, Glocken an den Wanderrucksack zu binden, um nicht von den einheimischen Braunbären überrascht zu werden.

Japan für Fortgeschrittene

Hokkaidō wird im Vergleich zur japanischen Hauptinsel Honshū von weniger ausländischen Touristen frequentiert. Ich vermute, dass nur wirkliche Japan-Fans dort landen, oder Menschen, die das Land mehrfach bereisen.

Es ist von Vorteil, wenn man sich bereits ein wenig mit Japan auseinandergesetzt hat und Land und Kultur einigermaßen navigieren kann. Denn: Hokkaidō habe ich als deutlich weniger touristisch ausgebaut wahrgenommen als Honshū. Vor allem in Punkto Kommunikation. Selten sind wir Japanern begegnet, die Englisch sprachen. Englische Übersetzungen in Menüs suchten wir in vielen Restaurants ebenfalls vergeblich.

Hokkaido scheint mehr auf japanischen Inlands-Tourismus ausgelegt. Entsprechend selten sind wir anderen westlichen Touristen begegnet. Eigentlich eine gute Sache! Google Translate ist auf Hokkaidō meiner Meinung nach essentiell. Ein Auto ist ebenfalls sehr von Vorteil, um die tolle Natur der nördlichsten japanischen Insel voll und ganz ausschöpfen zu können.

Bären-Warnung!

Hokkaidō hat sich für uns generell immer sicher angefühlt. Dennoch gebietet sich ein gewisser Respekt vor der ungezähmten Natur und den dort lebenden wilden Tieren. Neben Waschbären, Füchsen und Rehen, gibt es auf Hokkaidō eine große Population von Braunbären. Diese gelten als größer und aggressiver als die auf Honshū beheimateten Schwarzbären.

Warnung vor dem Bären

Nicht ohne Grund gibt es am Startpunkt jeder Wanderroute Bärenglocken zu kaufen. Die Japaner tragen alle eine am Rucksack. Sinn und Zweck ist, dass die Bären euch kommen hören, damit es zu keinen überraschenden Begegnungen kommt. In solchen Fällen könnte ein Bär sich in die Enge getrieben fühlen und in den Verteidigungsmodus gehen. Which you don’t want.

Auf manchen Routen gibt es in regelmäßigen Abständen auch große, fest installierte Glocken, die ihr beim Passieren einmal laut schlagen solltet, um den Bären in der hood zu signalisieren: Achtung, hier komme ich!

Zugegeben: Diese Umstände haben mir ab und zu ein mulmiges Gefühl beschert. Ich wandere in Deutschland viel und auch alleine, würde mich in dieser Hinsicht also nicht als überängstlich bezeichnen. Beruhigt hat mich wiederum, dass auf den meisten Routen viele Menschen unterwegs sind. Das zerstreut natürlich das Risiko, dass der Bär sich gerade euch als Leckerbissen herauspickt.

Spaß beiseite: Wandern auf Hokkaidō würde ich nur Menschen empfehlen, die bereits etwas Wanderroutine haben. Es ist kein Umfeld für Anfänger, auch wenn manche Touren körperlich leicht zu meistern sind. Die Herausforderung ist eher mental. Mit Angst im Gepäck, macht Wandern keinen Spaß. Hier braucht es Erfahrung, Urvertrauen und ein gesunde „Wird schon schiefgehen“-Einstellung.

Küstenstadt Hakodate

All dies spielt noch keine Rolle, als wir direkt nach unserer abenteuerlichen Überfahrt mit der Fähre zum ersten Mal Fuß auf Hokkaidō setzen. Die Küstenstadt Hakodate ist unsere erste Anlaufstelle.

Ästhetischer Gulli-Deckel

Die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel. Die kommenden Tage werden wir uns weiter ins Innere der Insel vorwagen und es wird zunehmend kälter werden. Auch einige Regentage werden mit von der Partie sein. Im Großen und Ganzen werden unsere Reisepläne vom Wetter nicht stark beeinträchtigt. Doch die mitgebrachten Jeans-Shorts bleiben für die nächste Woche tief in meinem Rucksack vergraben.

Hitzeschlag

Wir steuern zunächst den bekannten Morgenmarkt von Hakodate an. Tintenfisch und Krabbe scheinen die lokale Spezialität zu sein. Zudem werden mundgerecht zugeschnittene orangene Melonenstücke feilgeboten und wir schlagen beherzt zu.

Der Morgenmarkt selbst hinkt für mich sehr hinter seinem berühmten großen Bruder, dem Tsukiji-Fischmarkt in Tokio her. Vielleicht ist dieser Vergleich unfair. Vielleicht sind wir auch einfach nur zu spät am Morgen gekommen und der Großteil der Ware war bereits verkauft. Oder Hitze und Müdigkeit lassen einfach keine so rechte Freude am Sightseeing aufkommen.

Ausblick aus dem Hotelzimmer

Meine Freundin leitet unter stärker werdenden Kopfschmerzen. Unser Hotel, das Tokyu Stay, hat wie die meisten japanischen Unterkünfte eine strikte Check-in Policy. Vor drei Uhr am Nachmittag ist nichts zu machen. Auch das Angebot einer zwischenzeitlichen Gepäckaufbewahrung scheint es in Japan nicht überall zu geben.

Deshalb rollt sich Zahraa notgedrungen wieder in unserem Roomy zusammen und döst eine Weile auf dem Parkplatz. Ich hingegen muss unbedingt meinem Bewegungsdrang nachgeben und meine Beine aufwecken. Also fange ich an die Altstadt von Hakodate zu erkunden.

Rundgang durch Motomachi

Ich erwandere den Stadtteil Motomachi. In der Hitze ist es eine Herausforderung, aber ich bin dankbar, aus dem stickigen Auto herauszukommen. Die europäische Architektur, die über die Hänge der alten Hafenstadt verteilt ist, beeindruckt mich sehr. Die Gebäude sind fotogen und wirken doch seltsam entrückt. Ich gehe auf Foto-Streifzug und lasse mich treiben.

Motomachi

Eine entzückende ältere Frau spricht mich mit rudimentärem Englisch an. Ich verstehe nicht viel. Nur dass sie mir stolz einen kleinen Apfelbaum vor einem der Häuser entlang der Hauptstraße präsentiert. Haus und Baum scheinen ihr zu gehören und ich würdige deren Schönheit so überschwänglich, wie ich nur kann.

Europäische Architektur in Hakodate

Aussicht vom Mount Hakodate

Wir lassen es für den Rest des Tages ruhig angehen, denn die vergangene Nacht hat ihre Spuren hinterlassen. Die Kopfschmerzen meiner Freundin sind so weit im Griff, dass wir einen Spaziergang am Hafen machen können.

Uns fällt auf, dass die Möwen sich in regelmäßigen Abständen ins Wasser des Hafenbeckens stürzen und zappelnde, silbrig glänzende Fische herausholen. Und nicht wie bei uns in Europa daran gewöhnt sind, die Pommes der Touristen zu verschlingen. Das Meer scheint hier ausreichend Fülle für alle zu bieten.

Hakodate bei Nacht

Am Abend fahren wir mit der Seilbahn auf das Mount Hakodate Observatory und schauen uns den Sonnenuntergang an. Hakodate ist weit größer als wir erahnt hatten. Tatsächlich ist die Stadt mit ihren knapp 270.000 Einwohnern von oben betrachtet riesig! Wieder einmal muss ich einsehen, dass asiatische Kleinstädte andere Dimensionen als ihre deutschen Pendants haben.

Kulinarische Pannen

Essenstechnisch ist Hakodate für uns keine Offenbarung. Mittags steuern wir einen Ramen-Shop im Zentrum an. Die salzigen Ramen mit einer Einlage aus süßen Mais sind eine Spezialität auf Hokkaidō. Doch auf unseren beiden Suppen schwimmen mehrere dicke Scheiben Schweinefleisch, die auf den Bildern der Speisekarte nicht zu sehen gewesen waren. Ich drücke alle Augen zu und lege diese einfach beiseite. Doch Zahraa ist Muslima und ihr Glauben verbietet ihr, Essen zu sich zu nehmen, das mit Schweinefleisch in Berührung gekommen ist. Deshalb müssen wir ihre Ramen schweren Herzens wieder zurück gehen lassen.

Auch der Inder namens „Lambs Ear“, bei dem wir zu Abend essen, enttäuscht sehr. Zwar ist Curry-Suppe eine Spezialität auf Hokkaidō. Doch diese schmeckt nach nichts und ist einfach nur wässrig.

Genussmomente

Dafür werden wir am nächsten Morgen reichlich entschädigt: Wir tun über Google eine lokale Bäckerei auf (手づくりパンの家 ムックル), in der wohl selten ein westlicher Tourist aufschlägt. Sie befindet sich in einem Wohnviertel abseits des Hafens.

Aus dem Auto heraus beobachten wir Kinder auf dem Schulweg und fein herausgeputzte „salary men“, die zu ihren Jobs eilen. Solltet ihr jemals die Chance haben, kann ich euch einen Besuch dieser Bäckerei nur ans Herz legen. Die Gemüsetasche, die ich hier gekauft habe, war ein Hochgenuss. Auch meine Freundin war begeistert von den süßen Teilchen, die sie ausgewählt hatte. Und wirklich alle Backwaren in der Auslage sahen fantastisch aus.

Unvergleichlicher Genuss: Gemüse auf Hokkaidō

Tipp: Seid nicht schüchtern. Googelt lokale Geschäfte und traut euch rein. Diese Betriebe haben eure Unterstützung so sehr verdient. Mit Google Translate und ein paar Brocken Japanisch, ließ sich für uns jede Kommunikationssituation erfolgreich meistern.

Uns wurde ausschließlich Aufgeschlossenheit und Freude entgegengebracht. Die Japaner freuen sich, wenn auch Ausländer ihre lokalen Produkte zu schätzen wissen. Ich hatte oft das Gefühl, dass sie sich von unserem Besuch sogar besonders geehrt fühlten, oder es gar als glückliches Zeichen werteten. Uns ist es oft so vorgekommen, als würden sich Köche und Bedienung extra ins Zeug legen und vor Freundlichkeit überschlagen, um uns zu begeistern.

Von den Strapazen der Anreise erholt und bestens gestärkt treten wir somit die Weiterfahrt ins Innere der Insel an. Unser nächstes Ziel: Hokkaidōs Hauptstadt Sapporo.

Verfasst von:

Hallo! Mein Name ist Daniela. Ich arbeite im Marketing und lebe in München. Wenn ich nicht gerade arbeite oder reise, übe ich traditionelle Kampfkunst, Yoga oder mache Wanderungen in den bayerischen Voralpen. Schön, dass du hier bist und Teil meines Weges sein möchtest.

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