Klein-Tokio

Sapporo fühlt sich stellenweise an wie ein Tokio im Miniaturformat: Japans nördliche Metropole hat uns mit ihrem lebendigen Nachtleben, einem abgefahrenen Cosplay-Event und Ramen begeistert, die weltweit ihresgleichen suchen.

Die 2-Millionen-Einwohner-Stadt ist eine ideale Basis für Tagesausflüge ins Zentrum Hokkaidōs. Wir sind dort mehrere Nächte geblieben und haben tagsüber Abstecher in die Natur gemacht. Davon abgesehen, hat die Metropole selbst natürlich auch einiges zu bieten.

Sightseeing-Streifzug

In Punkto Sehenswürdigkeiten hat Sapporo einiges in peto. Da meine Freundin leider einen Tag lang wegen Migräne ausfiel, zog ich alleine los. Mein erster Eindruck: Sapporo gibt Tokio Vibes, ist aber überschaubarer. Die Hauptsehenswürdigkeiten könnt ihr an einem Tag zu Fuß gut abklappern.

Rund um den Odori-Park

Ich steuerte zuerst den Odori Park an und ging dort im Laufe des Tages einige Male auf und ab. Im Park selbst fand ein herbstliches Food Festival statt. Eine gute Gelegenheit, um sich einen Überblick über das kulinarische Spektrum der Insel zu verschaffen. Mir persönlich war es dort aber zu voll und die Qualität der Speisen war eher im Mittelfeld.

Odori Park und Fernsehturm

Um den Menschenmassen zu entfliehen, drehte ich eine Runde durch den an die Hokkaido University angeschlossenen Botanischen Garten. Das war nett, aber wenn die Zeit knapp ist, würde ich auf einen Besuch eher verzichten. Vielleicht hatte ich an einen botanischen Garten in Japan einfach überzogene Erwartungen?

Sapporos Uhren- und Fernsehturm

Was sich auf jeden Fall lohnt, ist ein Besuch des ikonischen Uhrenturms von Sapporo. 1878 als Teil des Sapporo Agricultural College erbaut, beherbergt dieser heute ein kompaktes Museum, in dem ihr euch über die Stadtgeschichte aufschlauen könnt. Das Personal dort ist sehr darum bemüht, euch Wissen zu vermitteln.

Sapporos berühmter Uhrenturm

In Laufweite befindet sich auch Sapporos berühmter Fernsehturm, den ihr als Nächstes ansteuern könnt. Vielleicht kennt ihr ja den Fernsehturm von Tokio? Man sieht ganz eindeutig, dass beide Türme von demselben Architekten, einem Herren namens Tachu Naito, entworfen wurden.

Sapporos Fernsehturm

Zu spät habe ich gesehen, dass man den 90 Meter hohen Turm kostenlos auch zu Fuß erklimmen kann. Aber auch die Bezahlvariante mit Aufzug wird euer Reisebudget nicht sprengen. Ich hatte großes Glück, denn außer mir waren nur zwei amerikanische Touristen auf der Beobachtungsplattform und ich konnte den wirklich schönen Ausblick in aller Ruhe genießen.

Ausblick über den Odori-Park

Von dort oben wird einem erst einmal bewusst, was für eine riesige Stadt Sapporo eigentlich ist. Und dass Turm und Parkanlage definitiv vom Eiffelturm und dem Mars-Feld in Paris inspiriert sind.

Fernsehturm mit Familie

Ziemlich funny: In Japan (und auch Südkorea) gibt es gefühlt für alles und jeden eine Comic-Version. So auch für den Fernsehturm, der euch während eures Besuchs an allen Ecken und Enden als knuffiger Merchandising-Artikel begegnen wird.

Tipp: Bei Donguri könnt ihr euch gegenüber vom Fernsehturm mit köstlichen Backwaren eindecken. Die Bäckerei befindet sich im Untergeschoss eines Shopping Centers, in dem es auch eine Feinkost-Abteilung mit einem ganz tollen Onigiri-Stand gibt.

Göttliches, handgemachtes Onigiri

Matcha-Erlebnis: Teeverkostung und Kulturaustausch

Ein paar Meter weiter die Straße herunter, befindet sich der d:matcha store. Wenn ihr mit Matcha bereits vertraut seid, könnt ihr einfach nur vorbei schauen, um die köstlichen Tees, Latte-Kreationen oder Desserts zu verkosten. Extrem lecker ist zum Beispiel der Matcha Chocolate Cheese Cake.

Ihr habt aber auch die Möglichkeit, tiefer einzusteigen: Ihr könnt Verkostungen buchen und lernen, wie ihr Matcha selbst richtig zubereitet. Diese Erfahrung ist jeden Yen wert.

Matcha Tasting

Die Tees kommen von einer Farm aus Kyōto. Dieser „hole in the wall“ Laden ist nur eine Zweigstelle. Amüsant: Der Inhaber, der dort auch bedient, hat uns spitzbübisch offenbart, dass er eigentlich Chinese ist und mit dem CEO der Tee-Firma gemeinsam in Boston studiert hat. Läuft bei ihm, würde ich sagen. Und erklärt zudem sein makelloses Englisch.

People Watching

Es lohnt sich, in Sapporo die Geschwindigkeit herauszunehmen und sich in der Menschenmasse treiben zu lassen. Im Odori-Park kann man Japaner beobachten, die sich nach der Arbeit mit Freunden treffen. Oder verstohlen eine Zigarette in einer hinter Bäumen versteckten Box rauchen. Es scheint in Japan noch einige Raucher zu geben. Die Städte erlauben das aber nur in ausgewiesenen Zonen und ich hatte das Gefühl, es handelt sich um eine schambesetzte Handlung.

Was mir beim ausgiebigen Beobachten auch aufgefallen ist: Die Menschen hier sind zum Großteil sehr schlank. Wenn einem übergewichtige Menschen im Straßenbild begegnen, sind das meist Touristen. Dünnsein scheint einen hohen Stellenwert in der japanischen Gesellschaft einzunehmen. Und: Außer in Osaka habe ich in Japan kaum Obdachlose zu Gesicht bekommen.

Susukino bei Nacht

Auch im Nachtleben von Susukino gibt es grenzenloses Potenzial für Beobachtungen. Mit gemischten Gefühlen kann man dort betrunkene „salary men“ beobachten, die sich den stressigen Arbeitsalltag schön trinken und vor dubiosen „girl bars“ herumhängen. Wir sind nicht wirklich darauf gekommen, ob das Bordelle, Strip Clubs oder Orte sind, an denen sexy Videos konsumiert werden. Es scheint sich in jedem Fall um eine Form von „adult entertainment“ zu handeln und wir fanden es stets ein wenig deprimierend, an diesen Etablissements vorbei zu laufen.

Mittendrin im Cosplay-Treff

Mein persönliches Sapporo-Highlight war der Nachmittag, an dem ich zufällig in ein Treffen der Cosplay-Szene hineingeraten bin. Die ganze Stadt war geflutet von jungen Japanern, die sich als ihre favorisierten Anime-Figuren verkleidet hatten. Unerklärlicherweise glich kein Kostüm dem anderen. Als hätten sich tausende von Menschen heimlich vorher abgestimmt. Und irgendwie würde es mich gar nicht wundern, wenn das tatsächlich der Fall gewesen wäre!

Logenplatz im Starbucks

Fasziniert hat mich auch, wie die sonst so beherrschten Japaner auf einmal völlig ausgelassen waren. Es wurde hemmungslos getanzt, für Fotos posiert und gelacht. Die Straßen waren mit so viel Freude und Ausgelassenheit geflutet, dass es mir Glückstränen in die Augen trieb.

Tristes Otaru

Viele Reiseführer empfehlen einen Tagesausflug nach Otaru, einem Küstenort, der circa 45 Autominuten von Sapporo entfernt liegt. Es mag am regnerischen Wetter gelegen haben, das uns an diesem Tag Kopfschmerzen und schwere Glieder bescherte. Aber wir konnten diesem Ort leider nicht viel abgewinnen.

Man läuft einen mit Lagerhäusern gesäumten Kanal entlang und kann theoretisch eine Bootstour in eine Lagune machen. Das war spontan leider nicht möglich, da eine chinesische Reisegruppe kurz vor uns alles ausgebucht hatte.

Ich würde den Abstecher nach Otaru demnach nicht wirklich empfehlen. Investiert die Zeit lieber anderweitig. Zum Beispiel mit einem Abstecher zum Lake Toya oder ins Hell Valley. Hierzu könnt ihr in den Beiträgen hier und hier mehr erfahren.

Eine Klasse für sich: Sapporo Ramen

Eines unserer Sapporo Highlights war definitiv die Entdeckung des Houryo Ramen Flagship Stores, der sich zufällig direkt neben unserem Hotel befand. Welch ein Segen!

Zu jeder Uhrzeit gibt es dort eine Warteschlange. In Japan ist das unserer Erfahrung nach ein gutes Zeichen. Wir waren insgesamt zwei Mal bei Houryo Ramen Abendessen und warteten jedes Mal zwischen 40 und 60 Minuten auf Einlass. Unsere Lebenszeit war gut investiert.

Scharfe Kimchi Ramen

Der Shop hat sich auf die für Sapporo typischen Miso Ramen spezialisiert. Wir haben sowohl die scharfe und als auch die klassische Variante probiert. Sympathisch: Es gibt die Option, sich zu jeder Suppe eine extra große Portion Nudeln zu bestellen. Dieser Vorgang wird von einem verschwörerischen Augenzwinkern der Bedienung quittiert. Und ist eigentlich nicht nötig, da die Portionen wirklich (!) groß genug sind.

Klassische Miso Ramen

Meine Definition von Ramen ist seit der Erfahrung bei Houryo Ramen nicht mehr dieselbe. Jeder Versuch, diese Geschmacksexplosion zu beschreiben, kann einfach nur scheitern. Deshalb lasse ich meine Bilder für sich sprechen. Neben den Suppen sind auch die vegetarischen Gyoza unbedingt zu empfehlen. Sie schmelzen förmlich auf der Zunge!

Die Küche des Restaurants ist offen, sodass man die hingebungsvollen Köche bei ihrem Handwerk beobachten kann. Beim Verlassen des Lokals ruft die ganze Mannschaft eine überschwängliche Dankes- und Abschiedsformel. Die Bedienung ist ein absoluter Sonnenschein. Sie hat sich so sehr gefreut, dass wir zwei Abende in Folge kamen, dass uns die Ehre eines Fotos zuteil wurde. Ich hoffe sehr, dass unsere Konterfeis jetzt zusammen mit all den Berühmtheiten die „Wall of Fame“ des Ramen-Shops zieren. Das zu verifizieren, ist ein guter Vorwand, um eines Tages zurück zu kehren.

Mit dem Aufzug nach Indien

Wenn ihr Lust auf richtig gutes indisches Essen habt, lege ich euch IYOTI The Door to India ans Herz. Das Restaurant befindet sich in einer Seitenstraße und ihr müsst den Aufzug in einem privaten Wohngebäude benutzen, um ins Restaurant zu gelangen. Der Aufzug ist tapeziert mit feindseligen Hinweisschildern, die euch warnen, ja nicht auf dem falschen Stockwerk auszusteigen. Fühlt sich fast ein bisschen an wie in einer deutschen Nachbarschaft oder?

Door to India

Betretet ihr das Restaurant, taucht ihr in eine warme, sinnliche Welt ein. Nicht nur das Essen ist fantastisch, auch die Gastgeber sind extrem bemüht, euch zu beraten. Man spürt, welch aufrichtige Freude es ihnen bereitet, die eigene Kultur mit den Gästen zu teilen. Die Hintergrundmusik, die tiefgründigen Sprüche an den Wänden, die Einrichtung: Alles wirkt hier absolut authentisch.

Hotel-Erfahrungen

Wir haben zwei Unterkünfte bewohnt, die ich mit Einschränkungen weiterempfehlen kann:

  • Villa Sapporo Honobono: Dieses Self-Service Apartment fühlt sich an wie ein zweites Zuhause. Es ist makellos sauber, ruhig gelegen, bietet Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe sowie eine kostenlose Waschmaschine (sofern ihr die japanische Anleitung meistert). Wichtiger Hinweis: Es macht wirklich nur Sinn, dort unterzukommen, wenn ihr mobil seid. Der Zugang zum öffentlichen Verkehrsnetz (Makomanai Station) liegt eine Stunde Fußweg entfernt!
  • Quintessa Hotel Sapporo Susukino: Mitten im quirligen Stadtteil Susukino gelegen, seid ihr hier voll am Puls der Stadt. Das Quintessa Hotel hat zwei Niederlassungen, zwischen denen wir erst einmal verwirrt hin und her gependelt sind. Es stehen öffentliche Parkplätze zur Verfügung, für die das Hotel einen Nachlass gewährt. Sind diese jedoch voll, müsst ihr euch selbst um eine Alternative kümmern. Zimmer und Lage sind wunderbar und das Frühstücksbuffet ist zwar hochpreisig, aber sehr reichhaltig.
Süße Details im Straßenbild von Sapporo
Verfasst von:

Hallo! Mein Name ist Daniela. Ich arbeite im Marketing und lebe in München. Wenn ich nicht gerade arbeite oder reise, übe ich traditionelle Kampfkunst, Yoga oder mache Wanderungen in den bayerischen Voralpen. Schön, dass du hier bist und Teil meines Weges sein möchtest.

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