Raststätten-Spaß, unerwartete Curry-Offenbarungen und Hotel-Chaos. Dieser Abschnitt unseres Japan-Roadtrips hatte es in sich. In diesem Beitrag lernt ihr, warum es gar keine gute Idee ist in einem Stück von der Mitte bis zum äußersten nördlichen Zipfel Honshūs zu fahren. Und warum es ratsam ist, auch in abgelegenen Orten Japans eure Übernachtungen vorab zu organisieren.
Hokkaidō ruft: von Nikkō gen Norden
Nach unserem Aufenthalt in Nikkō geht es voller Elan auf die Straße. Ziel: Der Anleger für die Autofähre in Ōma. Die Fähre soll uns und den Roomy am Morgen des nächsten Tages auf Japans nördlichste Insel Hokkaidō bringen .
Die Nacht zuvor hatten wir noch übermütig entschieden, die 12-stündige Fahrt am Stück zu machen, um nicht unnötig Zeit zu verlieren. In dem kleinen Ort namens Mutsu, in dem wir die Nacht verbringen wollten, brauche es auch sicher keine Hotelreservierung und wir finden spontan ein Bett für die Nacht. Denn: Wer will da schon hin?
Autofahren in Japan
Autofahren in Japan ist ein Erlebnis für sich. Ein großer Spaßfaktor sind die Raststätten. Auf Honshū sind diese teilweise so groß wie Shopping Malls, beherbergen ganze Food Courts, Convenience Stores und blitzsaubere japanische Toiletten (mit und ohne englische Beschriftungen der vielen Knöpfe, mit denen ihr euer perfektes Toilettenerlebnis kreieren könnt).
Die Sauberkeit dieser Anlagen vermisse ich schmerzlich. In Deutschland ist es meist ein demütigendes, grauenvolles Erlebnis öffentliche Toiletten zu benutzen. In Japan sind diese erstens kostenlos, weil das Reinigungspersonal seriös entlohnt wird. Und zweitens mindestens so sauber wie meine Toilette zuhause. Germany: watch and learn!
Die Straßen in Japan sind unserer Erfahrung nach bestens ausgebaut und mit Google Maps leicht zu navigieren. Eine Ausnahme bildeten für uns die Städte Tokio und Nagoya. Macht um solche Millionenmetropolen mit dem Auto lieber einen Bogen!
Der Fahrstil der Japaner ist grundsätzlich sehr gesittet, auch wenn sich wirklich niemand an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält. Wo kein Richter, da kein Urteil? Wir wurden in drei Wochen kein einziges Mal angehalten oder kontrolliert. Die japanische Polizei scheint dem hohen Stellenwert von Sicherheit und Ordnung im Land zu vertrauen und sich um wichtigere Themen zu kümmern?
Tipp: Wie fast überall auf der Welt ist auch in Japan Google Maps dein bester Freund. Eine SIM Karte mit mobilen Daten ist das A und O. Ich empfehle, diese direkt bei der Ankunft im Flughafen zu kaufen. Mobile Daten sind einfach ein Stück Sicherheit und Unabhängigkeit und machen dein Leben um Einiges leichter.
Ob man Japan besser mit dem Auto oder dem Zug bereist ist eine Philosophiefrage. Ich bin mit beidem auf vergangenen Trips „gut gefahren“. Ein Schnäppchen ist allerdings keine der beiden Varianten: Züge in Japan sind erstklassig aber teuer, vor allem die berühmten bullet trains.
Die Leihgebühr für das Auto war günstig, ebenso wie das Benzin. Was beim Autofahren in Japan aber extrem zu Buche schlägt, ist die Maut. Schnellstraßen sparen Zeit und sind in makellosem Zustand, aber das lässt sich Japan auch bezahlen.
Curry-Offenbarung
Das Highlight des Tages ist unsere Mittagspause in Morioka. Die Stadt selbst hat einen angenehmen Vibe. Wir vertreten uns die Beine in einem Park, in dem die Ruinen einer ehemaligen Burg zu sehen sind und lassen uns durch die Straßen treiben. Für immer und ewig bin ich dem Lonely Planet für seine Restaurant-Empfehlung dankbar.
Tipp: Wann immer ihr in eurem Leben die Chance habt, nach Morioka zu kommen, besucht das Curry-Restaurant Chalten. Ich hatte keine Ahnung, was ein wirklich gutes Curry ist, bevor ich dieses hier probierte. Besonders zu empfehlen, ist die vegetarische Variante. Das Gemüse, das liebevoll auf dem Curry drapiert ist, könnte einen Preis gewinnen.
Gute Restaurants suchen und finden
Lonely Planet Restaurant-Empfehlungen haben für uns in Japan 50:50 funktioniert. Es waren wirkliche Juwelen wie das Chalten dabei, aber auch gnadenlos schlechte Adressen.
Gute Lokale lassen sich auch in Japan leicht über Google Maps finden. Da meine Freundin Muslima ist, haben wir oft den Zusatz „Halal“ mit eingegeben und dadurch wahnsinnig gute japanische und indische Restaurants gefunden. Für mich als frischgebackene Vegetarierin war das Gold wert.
Zuletzt lohnt es sich, einfach durch die Straßen zu gehen und zu schauen, wo sich eine Warteschlange bildet. Das ist unserer Erfahrung nach ein gutes Zeichen. Die Japaner sind bereit, für gutes Essen anzustehen. Ihr tragt euch in eine Liste ein und wartet brav mit einer Traube hungriger Menschen vor dem Restaurant, bis ihr aufgerufen werdet.
Regen, Dunkelheit und Müdigkeit
Als wir Morioka verlassen, beginnt es zu regnen. Die durch das Wetter verursachte Dunkelheit geht langsam in den Abend über. Die Müdigkeit schlägt zu. Ich döse mehrfach weg und meine Freundin kommt beim Fahren an ihre Grenzen.
Vielleicht fragt ihr euch jetzt, warum wir keinen Fahrerwechsel gemacht haben? Da ich seit über zehn Jahren kein eigenes Auto mehr besitze und ich im Alltag nicht fahre, hatten wir uns darauf geeinigt, dass nur meine Freundin sich einen japanischen Führerschein besorgt und ich mich auf die Rolle des Beifahrers konzentriere. Ein großer Fehler, wie wir noch öfter feststellen sollten.
Tipp: Plant auf solch langen Strecken unbedingt einen zweiten Fahrer ein. Ihr wisst nie, was unterwegs passiert. Müdigkeit, Krankheit. Es sollte im Fall der Fälle immer jemand einspringen können!
Hotel-Fiasko: spontane Gäste unerwünscht
Wir kommen letztlich völlig gerädert in Mutsu an. Und laufen direkt gegen die nächste Wand: Alle Hotels, bei denen wir anklopfen, sind „ausgebucht“. Wir verstehen bis heute nicht, was hier passiert ist. Wir haben von keinem Event in der näheren Umgebung erfahren, das einen großen Besucherandrang erklären würde. Im Umkreis von Mutsu gibt es absolut keine touristischen Attraktionen. Kollisionen mit Feiertagen, Ferienzeiten, besonderen Naturspektakeln etc. konnten wir ebenfalls ausschließen.
Unsere Vermutung ist deshalb leider, dass japanische Hotels einfach keine spontanen Gäste akzeptieren. Wir klopfen bei wirklich großen Hotels mit vielen Betten an und blitzen ausnahmslos ab. Angeblich alles ausgebucht? Wir können das einfach nicht glauben.
Eine Nacht im Auto: Lebensretter Lawson
Da stehen wir nun. Müde, hungrig und ohne Schlafgelegenheit für die Nacht. Nun ja, nicht ganz. Wir haben ja den Roomy.
Und somit könnt ihr euch denken, welche Lösung wir gewählt haben: Wir verbringen die Nacht im Auto. Sicher geparkt vor einem 24-Stunden geöffneten Lawson, der Zugang zu Annehmlichkeiten wie Toilette und WLAN bietet. Eines ist sicher: Ich werde japanischen Convenience Stores bis an mein Lebensende für ihre Existenz dankbar sein.
Meine Freundin schläft auf den zurückgeklappten Sitzen sofort ein und kann sich etwas erholen. Ich mache kein Auge zu. Als auch sie nach einiger Zeit wieder aufwacht, beschließen wir, es hinter uns zu bringen: Vom Fähranleger in Ōma trennt uns noch eine Stunde.
Es ist morgens um 2. Wir brauchen nicht darüber sprechen: Mitten in der Nacht bei Regen auf schlecht beleuchteten Straßen, die punktuell von toten Waschbären gesäumt sind, durch japanische Fischerdörfer zu fahren, ist keine besonders intelligente Aktion.
Trotzdem muss ich sagen: Es hat sich zu keiner Zeit wirklich gefährlich angefühlt. Japan ist Japan. In anderen Ländern kann man sicher nicht im Auto vor einem Supermarkt übernachten. Würde ich es wieder machen? Nein. Würde ich es anderen empfehlen? Nein. Was lernen wir daraus?
Tipp: Komme was wolle: Auch Unterkünfte in untouristischen japanischen Städten, werden mindestens 1-2 Tage im Voraus reserviert!
Endlich am Fähranleger
Das Ganze nimmt letztlich ein gutes Ende. Wir kommen sicher in Ōma an und holen uns am Fähranleger noch einige Stunden Schlaf. Neben uns übernachten Japaner in ihren Autos, sodass wir uns auf eine seltsame Art „geborgen“ fühlen.
Am Morgen schälen wir uns alle nach und nach aus unseren Autos, machen uns auf den Toiletten im Fährgebäude frisch und werden mit einem schönen Sonnenaufgang beschenkt, während wir die Fischer auf dem Weg zur Arbeit beobachten.
Das größte Geschenk ist, dass wir unser reserviertes Ticket spontan bei einem netten jungen Mann auf die wesentlich frühere 7 Uhr Fähre umbuchen können. Damit müssen wir nach dieser anstrengenden Nacht nicht noch Zeit bis Mittag totschlagen. Es sind die kleinen Dinge im Leben.
Wir sind außer uns vor Freude, stylen uns auf der Toilette und genießen die Überfahrt. Nachdem wir den Kiosk der Fähre für ein nicht ganz so gesundes Frühstück geplündert haben (Instant Ramen, Red Bean Bread, Automaten-Kaffee), gehen wir an Deck und genießen die Sonne auf dem Gesicht während Honshū hinter uns immer kleiner wird. Der Ozean unter uns hypnotisiert mich mit seinem tiefen Blau. Der Wind hat sich gedreht und unsere Glückssträhne kehrt zurück.
Was wir gelernt haben
Mir ist es wichtig, auch solche unschönen Reiseerlebnisse auf diesem Blog zu teilen. Natürlich möchten wir alle nur die glamourösen Seiten des Reisens genießen. In dieser Episode ist sicher nichts entstanden, was sich auf Instagram posten lässt (dafür gab es später noch genug Anlässe).
Aber es ist die Realität. Beim Reisen geht nicht immer alles glatt. Man sieht sich mit Situationen konfrontiert, die fremd und beängstigend sind. Dinge gehen schief. Wir machen Fehler.
Und wenn ich mit diesem Beitrag nur eine Person davon abhalten kann, einen stundenlangen Höllenritt in abgelegene Gegenden zu unternehmen und sich kein Hotel für die Nacht zu reservieren. Oder lange Roadtrips in fremden Ländern mit nur einem Fahrer zu unternehmen. Dann habe ich hoffentlich schon ein paar Punkte für mein Karma-Konto gesammelt.
Ich vermisse japanische Toiletten. Der „Privacy“ Knopf und das Symbol für „Rear“ bringen mich jedes mal zum Lachen. Kann mich noch gut an mein erstes Mal erinnern, die Schüssel hatte einen beheizten Sitz und die Temperatur des Wassers und des Föhns konnten eingestellt werden. Definitiv ein Erlebnis.
Fully agree! Mein Favorit sind die Vogelgesänge und Waldgeräusche, die man als Begleitmusik einstellen kann. Der Föhn ist auch ein Highlight!