Fahrradfahren in Nara

Wer an die Stadt Nara denkt, denkt meist an deren vierbeinige Bewohner. Die ehemalige japanische Hauptstadt ist berühmt für ihre Rehe. Die Tiere und die imposanten Tempelanlagen im Nara-Park ziehen Massen an Touristen an. Mit einem Leihfahrrad könnt ihr diesen entfliehen. Und auch die versteckten Sehenswürdigkeiten Naras auf bequeme und abenteuerliche Weise erkunden.

Zurück in der Zivilisation

Nach Tagen der Abgeschiedenheit in den japanischen Alpen sind wir in Nara mit einem Schlag wieder zurück in einer Großstadt. Wir stellen schmunzelnd fest, wie schön es ist simple Infrastruktur wie eine Polizeistation oder ein Krankenhaus wieder in greifbarer Nähe zu haben.

Tempel-Hopping

Wir basieren uns für die verbleibenden Tage unserer gemeinsamen Reise in Nara. Die Stadt ist eine super Ausgangsstation für den Besuch von Osaka, Kōbe, Himeji oder sogar Kyoto.

Wir sichern uns einen guten Deal im luxuriösen Onyado Nono Nara direkt gegenüber der JR Station, dessen Starbucks mein täglicher „guilty pleasure“ wird. Das Hotel kann ich uneingeschränkt empfehlen. Die Lage ist genial, die Ausstattung und das opulente japanische Frühstücksbuffet mit lokalen Spezialitäten wie Sushi im Kaki-Blatt machen jeden Morgen zu einem Highlight.

Nara-Park: Zwischen Faszination und Überfüllung

Die Hauptattraktion von Nara ist der Nara-Park mit seiner Vielzahl von Sehenswürdigkeiten, die meisten davon buddhistische Tempel und Shintō-Schreine. Nara war von 710 bis 784 Hauptstadt Japans. Zwar verlor Nara an Bedeutung, als Kyoto zur neuen Hauptstadt erhoben wurde. Die historischen Stätten überdauerten jedoch die Zeit, tragen heute das Prädikat „UNESCO Weltkulturerbe“ und ziehen dadurch Massen von Touristen an.

Unsere ursprüngliche Intention, ein Fahrrad zu leihen, lag in der Weitläufigkeit des Areals und dem Wunsch, so viel wie möglich davon an einem Tag zu erkunden. Letztlich hat es sich aber als perfektes Vehikel entpuppt, um den Touristenströmen zu entkommen, die die Tempelanlagen von Nara tagsüber fluten.

Erkundung auf zwei Rädern

Es finden sich zahlreiche Fahrradverleihs rund um den Nara-Park. Wir haben kurz verglichen: Typisch Japan, sie haben alle die gleichen Preise. Ihr könnt euch also einen aussuchen, der euch sympathisch erscheint. Oder einfach diesen hier nehmen: 奈良レンタサイクル21

Wir wurden von einer herzallerliebsten japanischen Oma bedient. Aus Freude, dass wir bei ihr gleich zwei Tage nacheinander Fahrräder ausliehen, überhäufte sie uns mit selbst gefalteten, Origami-Kunstwerken.

Ihr habt die Wahl zwischen normalem Fahrrad und E-Bike. Der Verleih ist überraschend günstig. Wenn ich mich recht erinnere, hat mein Fahrrad 2.000 Yen (12 Euro) am Tag gekostet, das E-Bike war geringfügig teurer. Ihr müsst lediglich darauf achten, die Fahrräder zu Ladenöffnungszeiten zurück zu bringen, um alles weitere kümmert sich das hilfsbereite Personal.

Schauriger Massentourismus

Schon auf den ersten Metern beginnen wir zu verstehen: Nara ist eine Touristenhölle. Die Stadt gehört zu den Hauptsehenswürdigkeiten Japans und ist tagsüber vollgepackt mit Menschen. Die meisten von Ihnen spült es in den Eingangsbereich des Nara-Parks und sie verbleiben dort.

Ihr und auch unser erstes Ziel: Der buddhistische Tempel Tōdai-ji, der eine der größten bronzenen Buddha-Statuen Japans beherbergt. Zugegeben: Sie ist imposant. Doch der Ort entbehrt aufgrund der Besuchermassen jeglicher Atmosphäre. Wir sind sofort genervt und gestresst. Die Hitze tut ihr übriges.

Das einzige, was uns kurz erheitert, sind Schüler, die alles versuchen, um sich durch ein Loch in einer der Tempelsäulen zu zwängen, das dieselbe Größe wie ein Nasenloch des großen Buddhas haben soll.

Kasuga-Taisha Schrein

Schnell suchen wir mit unseren Zweirädern das Weite. Die gute Nachricht an dieser Stelle: Die meisten Menschen sind tatsächlich zu lauffaul, um die Tempel im hinteren Bereich des Parks aufzusuchen. Was Nara angeht, habe ich also vor allem zwei goldene Tipps für euch:

1. Leiht euch ein Fahrrad.

2. Besucht den großen Buddha früh morgens oder kurz vor Besucherschluss am Abend und widmet euch tagsüber den weiter entfernten Tempel der Anlage. Von diesen empfehle ich vor allem den wunderbaren Shinto-Schrein Kasuga-Taisha.

3. Abends lohnt sich ein Abstecher zum Ara-Pond. Dort erwartet euch mit etwas Glück ein Sonnenuntergang mit Rehen, Schildkröten und einem hypnotisierend schönen Pavillon.

Naras Rehe: Touristenattraktion und heiliges Tier

Für die berühmten Rehe Naras habe ich vor allem eines: Mitleid. Was wir gemeinhin als Rehe bezeichnen, sind eigentlich Sika-Hirsche. Die eleganten Tiere sind wirklich überall und natürlich ist es entzückend, wenn sie einem aus der Hand fressen. Wir kennen Rotwild als scheu und es ist eindrücklich, sie einmal so hautnah zu erleben.

Dem Zauber der Tiere kann auch ich mich nicht entziehen

Um sie anzulocken wird eigenes, in Cracker-Form gepresstes Futter verkauft. Ich habe allerdings festgestellt, dass die Tiere mindestens genauso glücklich sind, wenn man ihnen ein Blatt vom Baum abrupft, an das sie selbst nicht heran kommen.

Das bereitgestellte Futter wird schon einigermaßen gesund sein, abgesehen davon, dass die Tiere augenscheinlich bestens genährt sind. Aber im Leben kann ich mir nicht vorstellen, dass es der Lärm und die vielen Menschen sind. Wenn wir schon gestresst sind von den Massen und der Hitze. Wie mag es dann den Rehen ergehen? Ich finde auf vielen meiner Bilder sieht man den Tieren ihr Leid auch recht deutlich an.

Glücklich sieht anders aus

Und natürlich: Wo Menschen sind, wird sich daneben benommen. Kinder und Jugendliche, die Tiere in die Enge treiben, ohne dass Erwachsene einschreiten. Ungeeignetes Futter. Selfie-wütige Touristen. Autos, die mit voller Geschwindigkeit und ohne Rücksicht auf Verluste durch die Verbindungsstraßen des Areals brettern, auf denen natürlich reger Wildwechsel herrscht. Hier kann man leider alles beobachten.

Verrückt finde ich, dass Schilder und Berichte ausschließlich Menschen vor den Rehen warnen. Es kommt wohl zunehmend vor, dass in die Enge getriebene Tiere Menschen mit dem Geweih stoßen oder sogar zubeißen. Den Tieren hierfür die Schuld zu geben, ist absurd. Die Argumentation ist für mich leider nicht nachvollziehbar: Wir nehmen es den Tieren übel, dass sie nach ihrem Instinkt handeln, nachdem wir in ihren Lebensraum eingedrungen sind und sie in Not bringen?

Die Rehe waren angeblich bereits vor den Menschen in Nara und durften dort bleiben, als diese sich dort niederließen. Die Shintōs glauben daran, dass Götter in der Natur wohnen. Entsprechend wurden die Rehe als heilige Tiere verehrt.

Auch heute noch kann man in ruhigen Momenten eine gewisse Aura spüren. Manche der Tiere haben zum Beispiel gelernt, sich wie die Japaner zur Begrüßung leicht zu verneigen. Eine ziemlich surreale Begegnung.

Unagi für Champions

In der Nähe des Parks gibt es für mich keine bessere Lunch-Option als das Sahha Halal Restaurant. Ich hatte ein fantastisches „Unagi Set“ (Aal) und meine Freundin gönnte sich eine heiße Platte, auf der unterschiedliche Sorten Fleisch und Gemüse gegrillt wurden. Die Inhaber sind wahnsinnig gastfreundlich. Dennoch scheinen nicht viele Besucher über dieses Lokal zu stolpern, sodass es angenehm leer war.

Das Abendessen hat uns vor unerwartete Hürden gestellt. Nara lebt voll und ganz vom Tagestourismus. Abends sind schon früh die Bordsteine hochgeklappt. Authentisches Essen lässt sich nur schwer ausfindig machen, denn leider sind viele Lokale und Bars auf Touristen-Entertainment ausgelegt und dadurch schlecht und teuer.

Die Suche nach Nahrung hat uns an diesem Ort ein paar Nerven gekostet. Um das Ganze für euch abzukürzen, hier eine Ausbeute guter Restaurants: Manna Food (Indisch), Com Ngon (Vietnamesisch), シャーン・グルン (Thailändisch). Das gute Halal-Restaurant hat abends leider geschlossen.

Lärmig, lästig: Osaka

Eigentlich hatten wir für die Erkundung von Nara nur einen Tag eingeplant. Nachdem wir aber endlos enttäuscht von unserem Abstecher nach Osaka waren, trafen wir eine klare Entscheidung: Wir wollten keinen weiteren Tag mit dem Besuch von Orten verbringen, an denen großer Besucherandrang zu erwarten ist.

Burg Osaka. Kann man getrost auslassen.

Die Burg Osaka war für uns leider ungenießbar. Wir schoben uns mit den Menschenmassen dermaßen durch das enge Bauwerk, dass wir nicht einmal die Ruhe hatten auch nur ein Exponat der Ausstellung in Ruhe zu würdigen. Auch wenn diese wirklich interessant gewesen wären!

Ausblick von der Blue Birds Rooftop Bar. Kann man machen.

Wir verließen die Burg fluchtartig und sahen sie uns stattdessen eine Weile in Ruhe und bei einem kalten Getränk von der Blue Birds Rooftop Bar direkt gegenüber an. Unbegreiflich, dass außer uns so gut wie niemand auf diesen Gedanken kam.

Von der Terrasse haben wir allerdings auch schnell wieder das Weite gesucht, nachdem es ein australisches Pärchen, das Mittags schon mit Gin Tonic und Bier unterwegs war, mit dem Smalltalk etwas zu gut mit uns meinte.

Auch unseren kurzen Besuch des berühmt berüchtigten Dotombori-Vergnügungsviertels fanden wir leider abstoßend. Die Takoyaki (Oktopusbällchen), die wir uns genehmigten, waren nicht die erhoffte Food Option, bei der eigentlich nichts schief gehen kann. Die ikonischen Tintenfischbällchen bekommt ihr überall in Japan und auch anderswo in besserer Qualität.

Dieses Erlebnis steht für mich repräsentativ für das ganze Viertel. Überteuerter, minderwertiger Touristen-Nepp, so weit das Auge reicht. Vielleicht kommen hier Leute auf ihre Kosten, die sich abends betrinken wollen. Und sicher hätte man auch hier mit etwas Aufwand ruhige, sehenswerte Ecken finden können. Wir wollten die Mühe an der Stelle nicht investieren und fanden das berühmte, in Erzählungen so angepriesene Osaka maßlos unterwältigend.

Die eigentlichen Highlights von Nara

So kam es, dass wir einen zweiten Tag in Nara verbrachten. Ohne große Ambitionen wollten wir es ruhig angehen lassen. Wir hatten keine Ahnung, dass wir dadurch die eigentlichen Sehenswürdigkeiten der alten Hauptstadt entdecken und zum authentischen Kern Naras vordringen sollten.

Heijō Kaiserpalast

Dazu zählt zum einen die liebevolle Nachbildung des Heijō Palasts. Vom ehemaligen Kaiserpalast ist leider nicht mehr viel übrig. Auf dem weitläufigen Gelände wurden jedoch unter Verwendung von Baumaterialien und -methoden der damaligen Zeit einige Hallen und Tore rekonstruiert.

Das hilfsbereite Personal ist rührend höflich und darum bemüht, den eher wenigen Besuchern, die sich hierher verirren, alle vorhandenen Informationen zu vermitteln. Alleine aus Respekt vor der ehemaligen Bedeutung dieses Ortes und den aufrichtigen Bemühungen der Japaner, ihn nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, empfehle ich einen Besuch des Heijō Palasts aus vollem Herzen.

Buddhistische Tempel: Tōshōdai-ji und Yakushi-ji

Unbedingt sehenswert sind auch die einen Katzensprung vom Palastgelände entfernten buddhistischen Tempel Tōshōdai-ji und Yakushi-ji.

Buddhistischer Tempel Yakushi-ji

Ganz ehrlich: Den Nara-Park schaut ihr euch an, um einen Haken an die Sightseeing-Liste zu machen. Diese Orte hier, sind die wahre Attraktion Naras. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer, deshalb bin ich jetzt etwas ketzerisch und sage: Tut euch das Chaos von Nara-Park nicht an, überspringt die Tempel dort und schaut euch lieber diese beiden hier an.

Mystische Wege im Tōshōdai-ji

Himmlische Tempura Soba

Für die Stärkung zwischendurch gibt es nur eine Wahl: Yoshimura. Dieses Restaurant serviert göttliche Tempura-Soba. Das Interieur ist so ästhetisch, dass ich Teile der Dekoration in meiner eigenen Wohnung nachgestalten möchte. Ein Besuch im Yoshimura ist in jeglicher Hinsicht ein authentisch japanisches Erlebnis.

Interieur des Yoshimura

Wochen der Fülle

Nara hat uns überrascht. Positiv, negativ. Es war eine sehr lohnenswerte Reise-Station und ich bin froh, dass wir einige Tage dort verbracht haben. Ich bin wehmütig, als mich meine Freundin zum Flughafen in Osaka fährt.

Doch in mir ist vor allem eines: Fülle. Fülle aus drei Wochen facettenreichem Roadtrip im wunderschönen Japan. Mit allen Höhen und Tiefen, die zum Reisen dazu gehören. Ich bin um so viele Eindrücke reicher, die ich gerade noch gar nicht alle fassen kann.

Ein letztes Highlight hält dieses faszinierende Land jedoch noch für mich bereit. Ich kehre dorthin zurück, wo vor sechs Jahren alles seinen Anfang nahm. Die letzte Station meiner Reise wird der quirlige tokioter Stadtteil Asakusa sein.

Verfasst von:

Hallo! Mein Name ist Daniela. Ich arbeite im Marketing und lebe in München. Wenn ich nicht gerade arbeite oder reise, übe ich traditionelle Kampfkunst, Yoga oder mache Wanderungen in den bayerischen Voralpen. Schön, dass du hier bist und Teil meines Weges sein möchtest.

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert