Kungsleden Etappe Drei: Alesjaure – Tjäktja

Ein überwältigender Sonnenaufgang, ein exklusiver Badeplatz und Mitreisende, die von flüchtigen Begegnungen zu verlässlichen Wegbegleitern werden. Auf den 13 Kilometern der dritten Etappe schenkt mir der Kungsleden bewegende Naturerlebnisse und zwischenmenschliche Verbindung.

Magischer Morgen

Der Mitternachtssonne zum Dank wache ich heute um 4:30 auf. Während ich anfänglich noch frustriert versucht hatte, meinen üblichen Schlafrythmus zu erhalten, habe ich inzwischen aufgegeben. Das Motto meiner Zeit in Schwedisch-Lappland wird sein: Früh schlafen gehen, früh aufstehen, früh losziehen.

Sonnenaufgang in Alesjaure

Ich schlurfe schlaftrunken zum Plumpsklo und werde dafür von Schwedens Natur mit einem Master-Sonnenaufgang beschenkt. Ich flitze zurück in die Hütte und hole kurzerhand meine Kamera, um ihn einzufangen. Natürlich vermag kein Bild auch nur annähernd die Schönheit und Magie dieses Moments festzuhalten. In einem Moment voll Dankbarkeit halte ich inne und atme tief die frische Bergluft ein.

What a moment to be alive

Was man nicht im Kopf hat

Beseelt von einem derart atmosphärischen Start in den Tag, mache ich mich ein wenig zu überschwänglich auf den Weg. Als die ersten Bohlenstege über sumpfigem Untergrund beginnen, denke ich mir: Wie praktisch wäre es jetzt Wanderstöcke zu haben. Und realisiere, dass meine noch im Eingangsbereich der Alesjaure-Hütte an der Wand lehnen! Zur Belohnung darf ich mich mit vollem Magen direkt nach dem Frühstück zurück über die Hängebrücke und den steilen Berghang, auf dem die Hütte sitzt, wieder heraufquälen.

Es geht sonderbar weiter. Wenig später bringe ich es fertig, mich an einer Fliege zu verschlucken, die beim tiefen Atemholen zielsicher ihren Weg in meine Lunge findet. Mein Körper spielt ohne mein bewusstes Zutun ein Notfallprogramm ab und versucht sie durch Husten und Würgen wieder loszuwerden. Interessant, aber da ist nichts mehr zu machen. Rest in peace.

Erste Rentier-Sichtung

Der Rest der Etappe birgt keine weiteren Missgeschicke, sondern ist eine genussvolle Wanderung voll Ruhe und glücklicher Begegnungen. Es kommt zu meiner ersten Rentier-Sichtung: Eine Mutter hat sich mit ihrem Baby vom Rest der Herde abgesondert und grast in einigem Abstand zu mir gut getarnt vor der felsigen Gebirgswand. Die Tiere sind schön, scheu und relativ klein. Obwohl ich nie wirklich nah heran komme, fällt mir auch aus der Distanz ihr extrem glänzendes Fell auf.

Rentier-Mama und Baby

Besonders entspannt macht die heutige Etappe, dass es durch ein sehr langgezogenes Tal geht. Meine innere Uhr passt sich dem Rhythmus der Natur langsam an. Alles, was zählt, ist der jetzige Moment. Imposante, schroffe Berggipfel ragen links und rechts von mir auf und werfen ihre Schatten ins Tal. Das sorgt für spannende Bildhintergründe. Die Sonne knallt erbarmungslos vom Himmel und ich bin für jedes einzelne Wolke dankbar, die sich gnädig vor sie schiebt.

Traumhaftes Tal

Fluss-Spa Deluxe

Das letzte Stück zur Hütte ist steil und ich ernte bei meiner Ankunft erst einmal ein Lob von der Stugvärdin: Sie findet, ich sehe nach dem Aufstieg gar nicht so müde aus, wie andere Gäste.

Good to know: Auf den STF-Hütten liegen Logbücher aus, in die man sich zur Sicherheit direkt nach Ankunft eintragen sollte. Man gibt seinen Namen und das Herkunftsland an, sowie die aktuelle und die nächste geplante Unterkunft auf dem Kungsleden. Das macht die Nachverfolgung leichter, sollte man nicht zum geplanten Zeitpunkt am geplanten Ort erscheinen. Spaßiger Nebeneffekt: Man kann nach Herzenslust seine Mitreisenden stalken.

Die heutige Hütte ist die kleinste auf der gesamten Wanderung und es gibt keine Butik. Wasser holt man hier aus einem weißen Rohr, das ein wenig abseits der Hütte direkt aus dem Fluss ragt. Kein Problem, denn das schwedische Bergwasser ist einfach das köstlichste der Welt.

Allerdings: Es gibt keine Sauna. Das heißt, die einzige Möglichkeit, mich zu waschen, besteht darin, zum Flussufer hinunter zu klettern und mich Stück für Stück mit dem eiskalten Bergwasser zu anzufreunden. Das Haarewaschen kann gerne auf den nächsten Tag warten!

Tjäktja-Hütte mit Schnee-Spuren

Abgesehen davon ist der „Fluss-Spa“ eine 10/10. Ich fühle mich wie eine Märchen-Prinzessin, die in einer versteckten Grotte badet. Ich habe einen flachen Felsen zu meiner Basis erkoren, der unter steil aufragenden Felswänden platziert ist, auf denen ganz oben sogar noch Schnee liegt. Dennoch kann ich in der Sonne sitzen , die mich wunderbar wärmt während ich mich kultiviere.

Rechts neben mir tost ein Wasserfall. Über mir der Schnee. Sonne auf meinem Gesicht und in meinem Herzen. Ich fühle mich ultimativ frei und verdrücke ein paar Glückstränen. Es sollen nicht die letzten auf dieser Reise sein. Ist es nicht erstaunlich, wie einfach alles sein kann, wenn man den ganzen Firelfanz weglässt?

Die Gang formiert sich

Langsam beginnen wir einander wieder zu erkennen, die wir hier von Hütte zu Hütte ziehen. Ich treffe ein französisches Pärchen wieder, das in Schweden lebt. Er spricht zufällig Deutsch, da er für eine deutsche Naturkosmetikfirma arbeitet. Sie ist eine der beiden Frauen, mit denen ich am Vorabend saunieren war. Mit ihnen und einem holländischen Rentner-Pärchen führe ich in der Küche abends einen netten Smalltalk.

Die Reisenden aus Holland haben vor wenigen Jahren erst das Wandern für sich entdeckt. Die charmante ältere Frau findet es „empowering“ und bewundert mich augenscheinlich sehr dafür, dass ich diese Wanderung auf eigene Faust mache. Sie fügt mit einem verstohlenen Blick auf ihren Mann leise hinzu, dass sie das auch so gerne einmal gemacht hätte. Well, it’s never too late!

Good to know: Den Wetterbericht des aktuellen und darauffolgenden Tages hängt auf den STF-Hütten der Stugvärd aus. Ohne Internetzugang eine essenzielle Informationsquelle. Das Wetter kann in dieser Region wirklich rapide umschlagen. Deshalb sind die Ausdrucke natürlich keine Garantie. Man kann aber gut sehen, wie das Wetter am Vor-, Nachmittag und Abend ungefähr sein wird und entsprechend früher oder später in den Tag starten.

Im Schlafsaal in Tjäktja lerne ich auch Claudia und Nina, zwei deutsche Frauen aus Hessen kennen. Die beiden sind eigentlich mit dem Zelt unterwegs und gönnen sich heute den Luxus einer Hütten-Übernachtung. Ich ahne es zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber die beiden werden mich für den Rest meiner Wanderung begleiten und wir werden eine enge Verbindung miteinander aufbauen.

Verfasst von:

Hallo! Mein Name ist Daniela. Ich arbeite im Marketing und lebe in München. Wenn ich nicht gerade arbeite oder reise, übe ich traditionelle Kampfkunst, Yoga oder mache Wanderungen in den bayerischen Voralpen. Schön, dass du hier bist und Teil meines Weges sein möchtest.

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