Kungsleden Etappe Vier: Tjäktja – Sälka

Hoch hinaus und tief hinab: Die vierte Etappe des Kungsleden führt durch Höhen, Tiefen und endet in einem Rentier-Spektakel.

Vorhang auf für die Mitternachtssonne

In der Nacht sieht sich in unserem Schlafsaal leider niemand veranlasst vor dem Einschlafen die Vorhänge zuzuziehen. Ich kann mich da leider nicht ausnehmen. Und bekomme die Quittung, indem mich die Mitternachtssonne unbarmherzig um 23:00 weckt. Ein gespenstisches Gefühl. Nachdem ich einige Zeit wach gelegen bin, schaffe ich es noch ein paar Stunden Schlaf einzusammeln, doch das Schlafdefizit werde ich an diesem Tag noch zu spüren bekommen.

Rentiere kreuzen den Plankenweg

Hoch hinaus

Die heutige Etappe ist hart. Sie führt über den Tjäktja-Pass, der 1.120 m über dem Meeresspiegel liegt und damit den höchsten Punkt des Kungsleden abbildet. Die Überquerung ist zunächst einfacher als antizipiert. Sie wird im Heinemann-Wanderführer meiner Meinung nach viel zu dramatisch beschrieben. Ich habe durch meine regelmäßigen Wanderungen im Münchner Umland Erfahrung mit alpinen Bedingungen, aber auch Wandernde ohne regelmäßige Übung waren der Meinung, dass hier in der Beschreibung viel zu dick aufgetragen wurde.

Schutzhütte in Sicht

Die Schutzhütte oben auf dem Pass ist der perfekte Pausen-Spot und ich treffe auf das schwedische Vater-Sohn-Gespann, das mittlerweile fest zu unserer „Gang“ gehört. Der Sohn bereitet mich auf einen atemberaubenden Blick ins Trogtal Tjäktjavagge vor, der sich auf der anderen Seite des Passes eröffnen wird. Mit seinem schwedischen Understatement hat er das Naturspektakel, das dort weit unten zu meinen Füßen liegt, maßlos untertrieben. Die Szenerie könnte 1:1 einem Dinosaurier-Film entliehen sein.

Auf dem Tjäktja-Pass

Kräfte tanken im Dino-Tal

Upp som en sol, ner som en pannkaka. Hoch wie die Sonne, nieder wie ein Pfannkuchen. Diese amüsante schwedische Redewendung beschreibt exakt, was als nächstes passiert. Nachdem ich voller Elan wie die Sonne auf den Pass aufgestiegen bin, klatsche ich auf den Boden wie ein Pfannkuchen. Die anschließende Wanderung durch das Dinosaurier-Tal kann ich nicht genießen, denn ich verliere von jetzt auf gleich jegliche Energie.

Es mag an der Sonne liegen. Am Schlafmangel. Oder am Aufstieg, der meinen Körper vielleicht doch mehr gefordert hat, als ich realisieren möchte. Das anstrengende Laufen über steinigen Untergrund. Oder daran, dass ich zwar permanent am Essen bin, aber trotzdem zu wenig Brennstoff zugeführt habe. Ich mache erst einmal ausgiebig Pause und futtere mich quer durch meine Vorräte.

Blick ins Tjäktjavägge

Um mich herum ragen große Berge in den Himmel, in deren Gestein das abfließende Schmelzwasser beeindruckende Furchen gegraben hat. Ich versuche ein Nickerchen zu machen, aber es geht nicht, obwohl ich todmüde bin. Meine Erste-Hilfe-Maßnahmen sind ausreichend, um mich die letzten Kilometer bis zur Sälka-Hütte zu schleppen. Wirklich fit werde ich für diesen Tag aber nicht mehr.

Retro-Wäsche in Sälka

In der Hütte angekommen, lasse ich mich erst einmal von einem braungebrannten, sehnigen älteren Mann einweisen. Langsam wird es zur Routine. Die STF-Hütten funktionieren alle nach demselben Prinzip.

Dann wasche ich meine für die nächsten Wandertage benötigte Kleidung im Fluss und bin erstaunt, wie leicht und gut das geht. Jede STF-Hütte hat einen Trockenraum, in dem man Kleider und Schuhe über Nacht aufhängen kann. Alternativ bieten sich die Wäscheleinen im Freien an.

Als um 17:00 die Sauna für Frauen öffnet, sind Claudia, Nina, ich und eine Reisende aus der Schweiz sofort am Start und genießen den Luxus einer Warmwasserdusche nach der eiskalten Flusswäsche vom Vortag.

Rentiere in der Ferne

Rentier-Kino

Am Ende des Tages wird uns dann überraschend ein ganz besonderes Geschenk zu Teil: Wir können Sami-Männer auf Quads dabei beobachten, wie sie mit ihren Hunden von zwei Seiten des Tales eine Herde von mehreren hundert Rentieren zusammen und den Berghang hinauf treiben.

Ein gigantisches Schauspiel, zu dem man im Leben vermutlich nicht oft die Gelegenheit bekommt. Ich habe kein Handy griffbereit. Ich weiß dieser Tage ohnehin nie so genau, in welcher Tasche es gerade vor sich hin schlummert. Statt lange danach zu suchen, renne ich nach Draußen, um alles zu sehen und mit meinem Herzen zu fotografieren.

Sami auf ihren Quads

Good to know: Rentierzucht ist ein hartes Stück Arbeit und ich verstehe jetzt, warum überall darauf hingewiesen wird, dass man als Tourist Abstand zu den Tieren halten soll, um sie nicht zu versprengen. Für die Sami ist es sehr mühevoll, sie in diesem Fall wieder zusammen zu treiben.

Unnützes Wissen: Uns wurde erzählt, dass mittlerweile sogar Drohnen, die Hundegebell nachahmen, eingesetzt werden, um die Rentiere zusammen zu treiben. Auch mit Hubschraubern wird gearbeitet, vor allem bei männlichen Tieren, die sich weit oben am Berg aufhalten. Bei Müttern mit ihren Jungtieren wird behutsamer vorgegangen.

Verfasst von:

Hallo! Mein Name ist Daniela. Ich arbeite im Marketing und lebe in München. Wenn ich nicht gerade arbeite oder reise, übe ich traditionelle Kampfkunst, Yoga oder mache Wanderungen in den bayerischen Voralpen. Schön, dass du hier bist und Teil meines Weges sein möchtest.

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