Das neue Jahr beginnt für mich mit einer holprigen Landung in Vietnam’s einstiger Kaiserstadt Hue. Bei der Erkundung jahrhundertealter Tempel und Grabmäler wandele ich auf den Spuren vergangener Dynastien. Und erfahre gleichzeitig, was passiert, wenn sich die Reiseromantik mit der Realität beißt.
Ein holpriger Start
Nach einer anstrengenden Busfahrt von über 10 Stunden lande ich in Zentralvietnam. Und freue mich insgeheim, dass das schon die letzte lange Sleeper-Bus-Fahrt meiner Reise war. Die Busse hier sind immer anders. In diesem konnte ich schlecht auf der Seite liegen, da sich die Liegeposition des Bettes nicht anpassen lies. Mir tut alles weh, als ich in Hue von Bord gehe. Es hat seinen Grund, warum ich solche Reisen mache, solange ich noch relativ jung und relativ gesund bin!
Ich komme in den frühen Morgenstunden an. Das Leben regt sich in den Suppenküchen am Straßenrand. Ich spaziere mit Sack und Backpack zu meinem Homestay und lande entlang des Weges in einem Café zwischen. Dort zelebriere ich den Start ins neue Jahr mit einem gigantischen Stück Bananenbrot und einem leckeren Cappuccino. Es muss ja auch nicht immer local food sein!
Fußgänger First
Was sofort auffällt: Es gibt hier Ampeln für Fußgänger, die tatsächlich eingehalten werden! Ich denke zuerst: Die Stadt Hue bemüht sich offensichtlich touristenfreundlich zu sein. Da weiß ich noch nicht, dass es zum ersten Januar eine Gesetzesänderung in Vietnam gab: Für das Überfahren roter Ampeln drohen nun empfindliche Geldstrafen von bis zu 22 Millionen VND (800k Euro) plus Fahrerlaubnisentzug für mehrere Monate – nicht nur für vietnamesische Verhältnisse sind das ziemlich drastische Maßnahmen.
Neben diesem für mich positiven Effekt, fällt mir leider unangenehm auf, dass hier einige Männer am Straßenrand herumlungern und mich stärker anstarren als andernorts in Vietnam. Und ich werde oft von ihnen angequatscht. Nicht nur einmal, sondern jeden Tag, wenn ich vom Homestay ins Zentrum pilgere. Alles halb so wild, aber ich frage mich, woran es liegt: An der Umgebung meines Homestays? Unglückliche Ausnahmen? Oder sind die Menschen hier bereits viel stärker als im Norden „vom Tourismus verdorben“?
Übernachten in Hue
Mein Homestay, das Hue Sweethouse 1 befindet sich südlich des Parfüm-Flusses im neueren Teil der Stadt. Auch hier bin ich wieder sehr zufrieden. Mein Zimmer ist süß und sauber, die Dusche warm und es gibt alles, was ich brauche. Die Mädels, die den Check-in managen, sind freundlich, professionell und geschäftstüchtig.
Good to know: Lasst euch nicht bereits beim Check-in in eurer Unterkunft auf Aktivitäten für die nächsten Tage festnageln. Schaut euch lieber selbst erst einmal um und bekommt ein Gefühl dafür, was ihr wirklich sehen wollt. Mir ist es in vielen Unterkünften in Vietnam passiert, dass ich kaum durchgeatmet und meine Schuhe ausgezogen hatte und schon mit diversen Angeboten überhäuft wurde. In Hue war das zum Beispiel eine Fahrt auf dem Parfüm-Fluss mit einem Drachenboot. Ich bin richtig froh, dass ich sie nicht gebucht habe, denn ein Blick auf den Fluss wenig später zeigt mir, dass dieser wesentlich unattraktiver ist als der Name vermuten lässt.
Das einzige, was mich erst einmal etwas unzufrieden macht, ist das Frühstück im Homestay. Die Portion Joghurt und Früchte, die mir als Müsli verkauft wird, ist mikroskopisch klein. An den nächsten Tagen finde ich heraus, dass der Trick in Vietnam ist, Eierspeisen zu bestellen. Die sind immer ausreichend und meist wird noch ein großes banh mi dazu serviert, das garantiert satt macht.
Sightseeing in Hue
Imperial City: Auf den Spuren der Nguyen
Meine erste Anlaufstelle nach dem Check-in im Homestay ist die Imperial City. Von hier aus regierten die Kaiser der Nguyen-Dynastie 143 Jahre lang das Land. Die natürliche Umgebung von Hue mit dem Parfüm-Fluss und den umliegenden Bergen wurde vom Begründer und ersten Nguyen-Herrscher Gia Long als besonders günstig für die Errichtung einer Kaiserstadt gesehen.
Ein Besuch der Imperial City ist sehr lohnenswert. Ich fühle mich stark nach China zurückversetzt und bin nicht überrascht, als ich lese, dass sie dem Vorbild der Verbotenen Stadt in Peking nachempfunden ist. Auch wenn der Komplex riesig ist, erschlägt es mich doch nicht so sehr wie die große Schwester in China. Das mag auch daran liegen, dass in Peking große Hitze herrschte, während Hue mich mit warmen Temperaturen und Nieselregen empfängt. Es wird hier nachts noch sehr kalt und ich verstehe langsam, warum mich meine Gastgeberin Sam beim Einchecken auf den Heizlüfter im Zimmer hingewiesen hat.
Ich habe das große Glück, pünktlich zu Beginn einer Neujahrsvorführung mit Gesang, Tanz, Musik und traditionellen Kostümen in der Imperial City aufzuschlagen. Bis dato hat das neue Jahr wenig in mir ausgelöst. Auf Reisen befinde ich mich in einem seltsamen Vakuum und bekomme von den Feierlichkeiten daheim nichts mit. Und in Vietnam fiebern alle auf Chinese New Year im Februar hin. Umso schöner: Die berührende Performance und das pompöse aus Kanonen (!) abgefeuerte Feuerwerk bringen mich nun doch in feierliche Stimmung für 2025.
Ich finde es aus kultureller Sicht sehr sensibel, dass die Vietnamesen diese Feierlichkeiten für uns Touris ausrichten, obwohl sie selbst das neue Jahr an einem ganz anderen Tag feiern. Den Repräsentationszweck aus alten Zeiten nehmen dienjenigen, die heute für die kaiserliche Stadt zuständig sind, offenbar immer noch sehr ernst.
Später werden sogar Geschenke verteilt – solange der Vorrat reicht. Ich versuche nicht einmal eines zu erhaschen. Denn: viele Vietnamesen haben heute frei und es gibt ein großes Gedränge, das sich dann zum Glück auf dem weitläufigen Gelände sehr schnell wieder verliert.
Ich werde nicht richtig schlau daraus, wo ich mir einen Audioguide oder eine Führung durch die Imperial City hätte organisieren können. Das ist ein bisschen schade, aber Google ist mein Freund und Helfer. Und es gibt genug englische Infotafeln an den einzelnen Stationen. Ich verbringe mehrere Stunden in dem weitläufigen Areal. Es ist viel Stoff und die Architektur ist überwältigend. Ich verarbeite die vielen Eindrücke, indem ich fotografiere wie ein Weltmeister.
Und bin froh, dass ich mir Snacks eingepackt habe! Ich habe noch in Erinnerung, dass ich die Verbotene Stadt in Peking damals leider früher als geplant, verlassen musste, da mir der Magen krachte und ich nichts zu Essen eingepackt hatte. Vor Ort gab es nichts zu kaufen. In der Imperial City gibt es zwar einen Kiosk, aber der ist maßlos überteuert und das Angebot beschränkt sich auf ungesunde Snacks.
Thien Mu Pagode: Buddhismus am Flussufer
Mein sehr geschäftstüchtiger Homestay wollte mir eine Drachenboot-Tour auf dem Parfüm-Fluss andrehen, um zur Thien Mu Pagode zu kommen. Nachdem ich den Fluss und die Boote am Vortag aber gesehen hatte, entscheide ich mich dagegen. Die Touren sind teuer und der Fluss ist – sorry to say – mehr als uncharmant.
Ich organisiere mir kurzerhand via grab ein Grab-Motorradtaxi zur Pagode. Und schüttele den ebenfalls sehr geschäftstüchtigen Fahrer ab, der direkt anbietet, auf mich zu warten und mich wieder zurück zu bringen. Ich möchte keinen Zeitdruck haben.
Die Pagode ist wunderschön, der Besuch kostenlos und definitiv eine Empfehlung. Hier arbeiten und leben echte Mönche, die in der Tempelanlage vor sich hin werkeln und in Seelenruhe Bonsais trimmen. Ich stelle wieder einmal fest, dass der Buddhismus als Weltanschauung wirklich zu mir spricht. Alles an diesem Ort strahlt Ruhe und Frieden aus. Ich schalte augenblicklich einen Gang herunter.
Good to know: Auf dem Gelände ist das Auto ausgestellt, mit dem der Mönch Quang Duc 1963 zu einer Straßenkreuzung in Saigon fuhr und sich im Protest gegen die Unterdrückung des Buddhismus durch die südvietnamesische Regierung selbst in Brand setzte. Der amerikanische Fotograf Malcolm Browne dokumentierte den Vorfall und das Bild wurde zum Pressefoto des Jahres 1963.
Details könnt ihr in diesem Artikel des Time Magazine nachlesen. Content Warnung: Der Artikel zeigt Aufnahmen des verbrannten Körpers des Mönches. Schaut es euch nur an, wenn ihr das Gefühlt habt, mit solchen visuellen Eindrücken gut umgehen zu können.
Da der Regen gerade Pause macht, beschließe ich den Weg zurück ins Zentrum am Parfüm-Fluss entlang zu gehen. Der Weg zieht sich, aber ist für vietnamesische Verhältnisse super ausgebaut.
Vereinzelte Touris und Einheimische fahren mit dem Fahrrad am Fluss entlang. Dennoch begegnen mir mehr Wasservögel und Kühe (!) als Menschen. Ich genieße den Spaziergang und bin sehr froh, das Drachenboot nicht gebucht zu haben. Ihr solltet aber definitiv auf Bewegung aus sein, denn man ist von der Pagode bis zur Imperial City locker eineinhalb Stunden unterwegs.
Kaiserliche Gräber
Ich buche trotz der schlechten Erfahrung in Ninh Binh (mehr dazu hier) über meinen Homestay einen Fahrer, der mich zu den Kaisergräbern in die Peripherie von Hue bringt. Meine Erwartungen sind nicht besonders hoch. Umso mehr werde ich überrascht: Der Fahrer ist der Großvater einer der Mitarbeiter:innen des Homestays.
Er macht seinen Job anständig, organisiert Regen-Capes, Wasserflaschen und bietet mir immer wieder an, Fotos von mir zu machen. Ich hoffe, dass er durch die familiären Beziehungen auch genug vom Touren-Preis abbekommt.
Grab von Khai Dinh
Ich bin ehrlich: Die opulenten Grabstätten der vietnamesischen Kaiser hatte ich vollkommen unterschätzt. Was erst einmal nach nichts klingt, ist wirklich eindrucksvoll! Daran ändert auch das regnerische Wetter nichts, das unsere Tour an diesem Tag begleitet. Der Regen gehört zu Hue wie die Imperial City. Deshalb: nicht verzagen, Regenschirm im Homestay ausborgen und ab auf Erkundungstour!
Das erste Kaisergrab, das wir besichtigen, ist das von Khai Dinh, der von 1916 bis 1925 die Regierungsgeschäfte von Vietnam leitete. Die imposante Andachtsstätte befindet sich 10 Kilometer entfernt von Hue und wurde in 11 Jahren Bauzeit nach den Prinzipien des Feng Shui auf einem Hügel errichtet.
Sie vereint auf beeindruckende Weise westliche und östliche Architekturelemente. Zu romanischen Säulen gesellen sich hinduistische Stupas. Besonders beeindruckt mich das Drachengemälde an der Decke der Halle, in der sich das pompöse Kaisergrab befindet. Urban myth: Ein Künstler hat es angeblich auf einem Gerüst liegend mit fünf Pinseln in Händen, Füßen und Mund (!) gemalt.
Khai Dinh starb im Alter von nur 40 Jahren. Über den Audioguide, den man sich am Eingang leihen kann, erfahre ich ein paar interessante Fakten über die Persönlichkeit des Nguyen-Kaisers. So wurden ihm Faulheit und ein Hang zu Glücksspiel und Luxus nachgesagt. Um das zu finanzieren ging er wohl durchaus verschwenderisch mit den ihm anvertrauten Staatsgeldern um, was ihn im Volk sehr unbeliebt machte.
Ihm lästige Arbeit delegierte er kurzerhand an die französischen Kolonialherren. Damit trat er jedoch auch Verantwortung ab und wurde zum Marionetten-Kaiser.
Good to know: Khai Dinh wird nachgesagt, dass er das männliche Geschlecht bevorzugte. Das folgende berührende Zitat bringt dies subtil zum Ausdruck: „Mein Palast ist ein Kloster. Diejenigen, die Nonne werden wollen, sind herzlich willkommen.“
Grab von Minh Mang
Im Vergleich zu Khai Dinh kümmerte sich Kaiser Minh Mang aufrichtig um das Wohl der Vietnamesen. Er sorgte für die wohlhabendste Zeit während der vielen Jahre (1802 bis 1945), in denen die Nguyen-Dynastie das Land regierte. Auf die kaiserlichen Verdienste weist eine Stele am Eingang der bescheidenen aber nicht weniger beeindruckenden Grabanlage hin.
Minh Mang herrschte von 1820 bis 1841 und war der Sohn von Kaiser Gia Long, dem Begründer der Nguyen-Dynastie (ihr erinnert euch, das ist der, der die Imperial City gebaut hat).
Hier reihen sich Tempel, Tore, Höfe, Pavillions, Teiche, Gärten und das Grab selbst in beeindruckender Symmetrie aneinander. Das Grabmal selbst ist hinter dicken Steinmauern verborgen und kann leider nicht besichtigt werden. Es ist durch einen See abgeschirmt, über den drei Brücken führen: die seitlichen für die Gefolgsleute und die mittlere für den Kaiser.
Auch diese Anlage ist nach Feng-Shui-Prinzipien konstruiert. Der Sonnenuntergang symbolisiert den Tod des Kaisers und sein Grab ist so ausgerichtet, dass Minh Mang für immer gen Süden blickt.
Good to know: Kaiser Minh Mang wurde 52 Jahre alt und erfreute sich außergewöhnlicher Gesundheit. Das resultierte in einer enormen Anzahl von Frauen und Nachkommen. Wir sprechen hier von 43 Ehefrauen und 142 Kindern!
Die absurde Konsequenz: Ein Gericht musste das Geburtsdatum der Kinder mit den Zeiten abgleichen, zu denen der Kaiser seine Gemählinnen empfangen hatte, um deren Identität zu bestimmen. In Zeiten der Dürre wurde vermutet, dass durch die vielen Damen am Hof Yin und Yang außer Balance geraten waren. Die Lösung? Konkubinen wurden in einem Ritual freigelassen, um den Regen zurückzubringen.
Grab von Tu Duc
Die letzte Ruhestätte, die wir an diesem Tag besichtigen, ist die des Kaisers Tu Duc (1848-83). Die Gestaltung der Anlage lässt ahnen, dass diese bereits zu Lebzeiten des Kaisers als Refugium genutzt wurde, denn der er hatte nach einem abgewehrten Staatsstreich Rückzugsbedarf. Ein weitläufiger See, Jagdgründe und 100 Konkubinen dienten dem kinderlosen Tu Duc zum Zeitvertreib.
Good to know: Obwohl Kaiser Tu Duc zu Lebzeiten so viel Zeit in seiner späteren Grabstätte verbrachte, ist dies nicht der Ort, an dem seine sterblichen Überreste liegen. Sein Grab ist bis heute unentdeckt. Es gibt Vermutungen, dass es sich in der Nähe von Hue befindet.
Lost Places und Räucherwerk
Wir stoppen an diesem Tag auch an einem verlassenen Wassererlebnispark. Ich wollte eigentlich schon darum bitten, dass wir diese Station skippen. Dieses Gefühl verstärkt sich, als der Weg dorthin sich durch Regen und matschigen Untergrund quasi unter unseren Rädern auflöst. Ich muss sogar zwischendurch absteigen, da mein Fahrer sich sorgt, der Roller könnte ihm wegrutschen. Umso mehr beeindruckt mich der mystische Ort. Ich wusste nicht, dass lost places so ein Ding sind!
Worauf ich tatsächlich hätte verzichten können ist der Stopp im incense village. Räucherwerk wird wohl tatsächlich traditionell in der Region rund um Hue hergestellt. Dieser Shop allerdings ist ganz offensichtlich darauf ausgerichtet, Tourist:innen zu scammen.
Zuerst wird man mit einem handwerklichen Erlebnis gelockt: Ich darf mich selbst am Herstellen von Räucherstäbchen versuchen. Ich verstehe zwar nicht, was die beiden Frauen dort genau sagen, aber habe ganz deutlich den Eindruck, dass über meine ungelenken Versuche abgelästert wird.
Dann lasse ich mich dazu hinreissen, eine Packung Räucherstäbchen mit Zimtduft zu kaufen – für umgerechnet 3,60 Euro. Ganz klar ein Vielfaches von dem, was es kosten sollte. Mich tröstet, dass ich die Packung für meine Lieben zuhause aufteilen kann, um meine Souvenir-Pakete zu ergänzen. Ich kann mir nicht erklären, was mich da geritten hat. Vermutlich konnte ich dem Zimftduft nicht wiederstehen, der für mich mit Vietnam verbunden ist, weil es hier so leckere Zimt-Tees gibt?

Ich werde anschließend auf einen Tee eingeladen. Dazu wird leckerer kandierter Ingwer gereicht – den es zufällig auch hier zu kaufen gibt. Wieder eine Geste, die als Nettigkeit daher kommt, aber eigentlich nur auf Profit abzielt. Ich lehne dankend ab und mache stattdessen Bilder von den fotogenen Räucherstäbchen, die in vielen verschiedenen Farben zu einem Gesamtkunstwerk arrangiert sind. Wenn ich schon gescammed werde, will ich wenigstens meinen Insta-Shot!
Wenn das Reise-Tief zuschlägt
Nach knappen 3 Wochen im Land erwischt mich in Hue ein kleines Reise-Tief. Ich bin frustriert von den Scams. Nichts ist hier wirklich umsonst. Nicht einmal der sehr starke Grüntee, der mir bei einer Pause auf der Tour gereicht wird. Mein Fahrer steckt der Frau, die ihn serviert, ein paar Dong zu und ich bekomme genau mit, dass sie ihn anpampt, warum er mich den Tee nicht zahlen lässt.
Konversationen aus echtem Interesse gibt es, aber sie sind selten. Meist stellt sich heraus, dass meine Gesprächspartner auf ein Trinkgeld oder eine positive Rezension aus sind und dass die Freundlichkeit nicht von Herzen kommt.
Es ist frustrierend, nicht als Mensch, sondern als Bankomat wahrgenommen zu werden. Dennoch habe ich ob der Landesgeschichte und der auch heute noch schwierigen Lebensverhältnisse in Vietnam viel Verständnis für die Menschen. Ich ärgere mich kurz, schaffe es dann aber meist relativ schnell, das schlechte Gefühl wieder abzuschütteln.
Dennoch wird mir bewusst, warum ich in den letzten Jahren vor allem durch entwickelte ostasiatische Länder wie China, Korea und Japan gereist bin: Ich schätze, dass ich durch die guten öffentlichen Verkehrsmittel dort unabhängig von A nach B komme und dass die Dinge einfach kosten, was sie kosten. Und das ist für alle gleich, egal ob Touris oder Einheimische.
So verlasse ich die alte Kaiserstadt und ziehe weiter. Mit mir nehme ich vor allem den Kontrast zwischen einer glanzvollen imperialen Vergangenheit und einer nicht ganz so glanzvollen touristischen Gegenwart.
Mit dieser Mischung aus Gefühlen steige ich in den Minivan, der mich und drei weitere Reisende zu unserer nächsten Destination in Zentralvietnam bringt: Hoi An.
Restaurants und Cafés
Das Beste zum Schluss: Das wäre nicht Coffeemates, wenn ich nicht noch einen Sack voll Restaurant- und Café-Empfehlungen für euch hätte. Here we go!
Cơm hến, bún hến Lành
Dieses Straßen-Lokal war mein Streetfood-Highlight in Hue. Ich habe lange nach einem Ort gesucht, um die lokale Spezialität com hen aka Muschelreis zu testen. Ich hatte ein Restaurant im Auge, das gegenüber vom tan.cafe (mehr dazu unten) liegt. Es aber fallen lassen, nachdem ich auf Google gelesen hatte, dass Ausländer hier pauschal mehr für dieselben Gerichte blechen müssen.
Stattdessen fasse ich Mut und laufe ein Stück aus dem Zentrum heraus. Ich floate auf dem Weg mit einer Straßenverkäuferin über eine stark befahrene Kreuzung. Klammheimlich hefte ich mich an ihre Fersen, um ihre Taktik beim Überqueren der Straßen zu imitieren. Wenn sie es bemerkt, lässt sie es sich nicht anmerken. Ein geniales Erlebnis!
Der Inhaber des com hen Imbisses begrüßt mich schon auf mehrere Meter Entfernung und nimmt mir jegliche Scheu. Er weist mir fix einen Platz zu, verstaut meinen tropfnassen Regenschirm und freut sich, dass ich mit einem Google Maps Bild meines Wunschgerichtes vorbereitet bin.
In Nullkommanichts steht der Muschelreis auf meinem Tisch und der ältere Mann erklärt mir mit bewundernswerter Passion, wie ich den mit kleinen Muscheln, Erdnüssen, Bananenblüten, Sprossen, Kräutern und crispy tofu gespickten Reis mit Fischpaste, etwas Chili und dem Saft mische, in dem die Muscheln gekocht wurden.
Was soll ich sagen? Das Gericht war eine Offenbarung, die Erfahrung unvergesslich – und ich habe denselben Preis wie die locals gezahlt – 0,46 Cent! Erfahrungen wie diese sind es, was Reisen für mich ausmacht. Einmal wieder sehe ich mich darin bestätigt, dass es sich lohnt, die eigene Scheu zu überwinden, sich abseits der Touri-Pfade zu bewegen und unter die ganz normalen Menschen zu gehen.
Café on Thu Wheels
Eine gute Lunch-Adresse. Man sitzt im Obergeschoss recht ruhig, Ich habe dort mehrmals günstigen und sehr guten Fisch im Tontopf, gedämpften Fisch und Mapo-Tofu gegessen.
Mingle-Vegetarian-Cafe-Restaurant
Leckeres vegetarisches banh mi, Kurkuma-Nudeln und Papaya-Salat. Freundliches Personal, schöne, überdachte Sitzfläche im Freien und entspannte Atmosphäre. Alles auch zum Mitnehmen.
tan.cafe
Dieses Café wurde mir von einer Mitarbeiterin meines Homestays empfohlen, um den berühmten Salzkaffee zu verkosten, der seine Ursprünge hier in Hue hat. Und sie hat nicht zu viel versprochen. Der Kaffee dort war so gut, dass ich es nicht einmal geschafft habe, das Original-Café zu besuchen, das die Spezialität wohl ursprünglich einmal erfunden hat.
Macht euch gerne selbst ein Bild und berichtet von eurer Erfahrung in den Kommentaren! Es würde mich interessieren, ob der Salzkaffee dort noch besser ist. Weitere Infos zur Kaffeekultur in Vietnam findet ihr in meinem Blog-Beitrag zu Hanoi.
HÚE BOOKS & CAFE
Hands down mein Lieblingscafé in Hue. An diesem wunderbaren Ort begrüßen euch freundliche junge Leute, die super Englisch sprechen und extrem aufmerksam und zuvorkommend sind. Es herrscht dort ein künstlerisches Ambiente und eine sehr gute Atmosphäre zum Schreiben, Lesen und Verweilen.
Alle Getränke, die ich bestellt habe (Litschi-Limonade mit getrockneten Limettenscheiben, Cappuccino), waren auf extrem hohen Niveau und der Preis dafür angemessen. Die Zimtschnecke ist ein Highlight.
Good to know: Wenn ihr euch in Vietnam in ein Café setzt, stellt eure Tasche am besten direkt auf einen freien Stuhl. Sonst wird es später hektisch die Bedienung für euch tun. Sie mögen es überhaupt nicht, wenn Taschen auf dem Boden stehen. Mir wurde erklärt, dass das Hygienegründe hat. Es könnte aber auch mit Aberglauben verbunden sein.
Ich habe zudem oft beobachtet, dass es toleriert wird, in Cafés die keine Speisen anbieten, seine eigenen mitzubringen. Das ist glaube ich nicht überall der Fall. Um peinliche Zwischenfälle zu vermeiden, also lieber erst einmal beobachten. Oft habe ich sogar gesehen, dass Cafés mit Straßenverkäufern kooperieren, die den Gästen Dumplings oder Sonnenblumenkerne verkaufen, während das Café selbst nur für die Drinks sorgt. Die perfekte Symbiose!
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