Taiwan – oder, wie es einst poetisch von portugiesischen Seefahrern genannt wurde, Formosa („die Schöne“) – ist ein Reiseziel, das die wenigsten Traveller auf dem Schirm haben. Gut für all diejenigen, die sich aus der Komfortzone herauswagen und beschließen, die Inselnation im Westpazifik zu erkunden!
Taiwan hat eine bewegte Geschichte, die eine starke Wirtschaftsnation mit moderner Infrastruktur und einer beeindruckend offenen demokratischen Gesellschaft hervorgebracht hat. Einflüsse der beiden großen Nachbarn China und Japan sind auf Schritt und Tritt spürbar. Sie vermengen sich mit lokalen Traditionen und atemberaubender Natur.
Als Besucherin auf meiner vierwöchigen Reise treffe ich auf eine einzigartige Kultur, die so viele verschiedene Einflüsse integriert und dabei doch etwas ganz Eigenes geschaffen hat. Genau davon möchte ich euch in dieser neuen Blogreihe erzählen.
Meine 4 Wochen Reiseroute
Taiwan ist klein genug, um bereits in 1-2 Wochen einen lohenswerten Einblick zu bekommen. Und vielseitig genug, um viel länger als die 4 Wochen dort zu bleiben, die mir zur Verfügung standen.
Dennoch hatte ich die tolle Möglichkeit, ein Monat lang richtig in die Seele Taiwans einzutauchen. Hier ein Überblick meiner Reiseroute. Auf die einzelnen Etappen nehme ich euch in separaten Blogbeiträgen mit, die hier in nächster Zeit veröffentlicht werden. Stay tuned!
Basics, die ihr über Taiwan wissen müsst
Bevor wir ins Abenteuer starten, brauchen wir aber noch ein paar Fakten: Auf Taiwan leben rund 23 Millionen Einwohner:innen (2024) auf einer Fläche von etwa 36.000 km² – das ist in etwa so groß wie Baden-Württemberg.
Im Gegensatz zum Schwabenländle sind aber ein Drittel Taiwans bergig oder bewaldet. Ein Großteil des Gebiets wird vom Zentralmassiv eingenommen. Die großen Städte haben sich deshalb entlang der Küsten gebildet. Wobei die Westküste deutlich stärker besiedelt ist als die Ostküste.
Die Hauptstadt ist Taipei im Norden. Im Ballungsraum leben 2,7 Millionen Taiwaner:innen und über den internationalen Flughafen Taoyuan (TPE) erreichen und verlassen die meisten Reisenden die Insel. In dichter Aufholjagd als kulturelles, politisches und wirtschaftliches Zentrum befindet sich die südliche Hafenmetropole Kaohsiung.
Die dominierende Landessprache ist Mandarin (Hochchinesisch), aber auch Taiwanesisch (Hokkien), Hakka und insgesamt 16 indigene Sprachen werden gesprochen. Eine Besonderheit: Auf Taiwan werden traditionelle chinesische Schriftzeichen verwendet, nicht die in der Volksrepublik China üblichen Kurzzeichen.
An touristischen Orten finden sich Schilder in Japanisch und Englisch und vereinzelt auch Menschen, die diese Sprachen beherrschen. Wenn ihr kein Mandarin sprecht, solltet ihr euch mit einer Übersetzungsapp anfreunden. Dadurch, dass Taiwan primär von Einhemischen bereist wird und vergleichsweise wenig internationalen Tourismus anzieht, ist die Infrastruktur dünn. Mit dem richtigen Mindset und entsprechenden Tools, lässt sich Taiwan ebenso gut bereisen wie andere asiatische Länder. Ich möchte aber nicht verschweigen, dass es Anstrengung erfordert.
Taiwans bewegte politische Historie
Nicht aussteigen! Ich weiß, dass man diesen Teil des Reiseführers ganz gerne überblättert, wenn man nach kurweiligen Inspirationen sucht. Aber ich bin der Meinung, dass man nicht nach Taiwan reisen sollte, ohne sich wenigstens ein bisschen mit dessen bewegter politischer Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Während die Portugiesen noch an der Insel vorbeisegelten und ihr nur einen blumigen Namen gaben (ihr erinnert euch: Formosa), kolonialisierten die Holländer sie im 17. Jahrhundert. Ab da folgte eine Fremdherrschaft auf die nächste: nach der chinesischen Ming-Dynastie (Grüße gehen raus an Koxinga, wir sehen uns im Blogpost zu Tainan wieder!) und Quing-Dynastie folgte eine 50-jährige Kolonialisierung durch Japan, die tiefe Spuren in der Identität Taiwans hinterlassen hat.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Taiwan an die Volksrepublik China übergeben. Als Konsequenz des chinesischen Bürgerkriegs floh 1949 die nationalistische Regierung unter Chiang Kai-shek nach Taiwan und gründete die Republik China. Der Beginn einer Leidenszeit mit Kriegsrecht, Einparteien-Diktatur und massiver Verfolgung Oppositioneller („Weißer Terror“).
In den 1980ern wuchs der gesellschaftliche Druck und es wurden sukzessive das Kriegsrecht aufgehoben, neue Parteien erlaubt und die Pressefreiheit eingeführt. 1996 wurde Lee Teng-hui zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten.
Taiwan ist der besondere Fall eines ehemals autoritär regierten Gebiets, das den friedlichen Wandel zu einer der fortschrittlichsten Demokratien Asiens gemeistert hat. Allerdings ist Taiwans internationaler Status nach wie vor umstritten: Nur wenige Länder erkennen es als unabhängigen Staat an, da die Volksrepublik China Anspruch auf das Gebiet erhebt.
Tech-Player auf globaler Bühne
Taiwan ist ein wirtschaftliches Schwergewicht und global vor allem durch seine Halbleiterindustrie ein wichtiger Player. Der Weltmarktführer in diesem Bereich ist TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company). Exportiert werden zudem Maschinen, Fahrzeuge und Unterhaltungselektronik.
Wenn ihr jetzt aber denkt, ihr könnt ungehemmt shoppen, muss ich euch leider enttäuschen: Natürlich gibt es vor Ort ein fantastisches Angebot, wirklich günstig ist es aber nicht. Taiwan ist eine hochentwickelte Industrienation mit entsprechenden Lebenshaltungskosten und Preisniveaus. Euer Reisebudget bringt ihr übrigens in der Landeswährung Neuer Taiwan-Dollar (TWD) unters die Menschen.
Das richtige Timing
EU-Bürger:innen brauchen keinerlei Visum für touristische Aufenthalte bis zu 90 Tagen. Ihr könnt ziemlich entspannt ins Land spazieren. Zu empfohlenen Impfungen verweise ich gerne auf die Seite des Auswärtigen Amtes. Die solltet ihr grundsätzlich vor jeder Reise checken.
Die Frage aller Fragen: Wann ist die beste Reisezeit für Taiwan? Die offizielle Empfehlung: zwischen Oktober und April. Nun ja, ich war im Mai dort – eigentlich Regenzeit und Off-Season. Doch die Wetterlage war überraschend gut: Nur an wenigen Tagen regnete es wirklich.
Die meiste Zeit war es tropisch feucht und so heiß, dass ich mich alle halbe Stunde in ein klimatisiertes Café retten musste, um keinen Sonnenstich zu bekommen. Unter der Woche war ich oft komplett allein an beliebten Hotspots. Nur an Wochenenden waren vermehrt einheimische Reisende unterwegs.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Taiwan in einer seismisch sehr aktiven Zone liegt. Erdbeben treten häufig auf und zwischen Juni und Oktober prallen Taifune auf die Insel. Die Infrastruktur ist sehr gut darauf vorbereitet, aber es kommt immer wieder zu größeren Naturkatastrophen, die ganze Landesteile verwüsten.
Lesetipps zur Einstimmung
Lonely Planet Taiwan – der Klassiker unter den Reiseführern. Leider wurde die Auflage zu Taiwan seit der Pandemie nicht mehr aktualisiert und viele Informationen sind veraltert.
Taiwan Obsessed von Nick Kembel – ein exzellenter Reiseblog zu Taiwan, vollgepackt mit detaillierten Anleitungen, Routen und Sightseeing-Tipps. Ein echter Lebensretter!
Green Island von Shawna Yang Ryan – ein eindringlicher Roman, der einen gut verdaulichen, emotionalen Zugang zu Taiwans politischer Geschichte ermöglicht.
Lasst uns losziehen!
Ihr Lieben – ich freue mich, euch in dieser Blogreihe mit auf meine Reise über diese faszinierende Insel zu nehmen: von den Nachmärkten Taipeis über schroffe Küsten und satte Reisfelder bis zum Wolkenmeer im zentralen Hochland.
Ich zeige euch ein ganz besonderes Reiseziel, das fernab vom Mainstream liegt. Und stelle euch wunderbare Menschen und ihre pesönlichen Geschichten vor.
Taiwan hat mich überrascht. Ich hoffe, es wird euch genauso gehen.
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